1059 - Der Scharfrichter
es ist!
Das galt auch für uns, denn wir waren ebenfalls nur Menschen und keine künstlich geschaffenen Figuren. Das Leben ging weiter mit all seinen Freuden und auch seinen Schattenseiten, von denen ich in der letzten Zeit genug erlebt hatte.
Den Tod einiger Freunde und natürlich das schlimme Sterben meiner Eltern. Es lag länger zurück, aber es war nicht vergessen, das mußte ich zugeben.
Die neue Veränderung allerdings hatte nichts mit dem Ableben meiner Eltern zu tun. Diesmal hatte es die Londoner Mafiagröße Logan Costello erwischt, den Mann im Rollstuhl.
Er war keines natürlichen Todes gestorben – bei einem Mafioso wäre wohl eine Kugelgarbe normal gewesen – nein, er war durch eine Silberkugel vernichtet worden. Als Mensch wäre sie für ihn nur bedingt tödlich gewesen, bei einem Vampir verhielt es sich anders. Das geweihte Geschoß hatte seinen Hals und einen Teil seines Gesichts durchbohrt und den Vampir Costello vernichtet.
Dabei hatte er sich so viel ausgerechnet. Sich wieder mit den schwarzmagischen Mächten verbündet, um seine eigene Macht stärken zu können. Nur hatte er sich in Will Mallmann, alias Dracula II, genau den falschen Partner ausgesucht. Costello hatte nicht mit dessen wahnsinnigen Machtgelüsten gerechnet. Mallmann wollte alles an sich reißen. Er wollte London zur Vampirstadt machen und hatte deshalb auch das Blut des Logan Costello getrunken.
Bevor der große Plan gelingen konnte, hatten wir eingegriffen und es tatsächlich geschafft, die Blutsauger zu vernichten, bevor sie zu viele unschuldige Menschen anfallen konnten.
Es gab sie nicht mehr.
Costellos Garde war ebenso vernichtet worden wie er selbst. Die Londoner Mafia war im Moment führungslos. Es würde Machtkämpfe geben. Möglicherweise drängten auch Bosse von außerhalb nach London ein. Das alles konnte passieren, mußte uns aber nicht interessieren oder nur am Rande, denn unsere Aufgaben waren andere.
Natürlich waren wir bei den »Aufräumungsarbeiten« dabeigewesen. Wir hatten auch Jane und Bill gratulieren können, denen es gelungen war, ein Stundenhotel von Vampiren zu befreien, ähnlich wie ich es in einer Disco geschafft hatte.
Vergangenheit, vorbei, Erinnerung - zunächst jedenfalls.
Karina Grischin war es nicht. Die Russin, die Costello als seine Leibwächterin engagiert hatte, war ihm schließlich zum Schicksal geworden. Durch eine von ihr geschossene Silberkugel war er getötet worden. Den Sieg konnte sich Karina an ihre Fahne heften, und jeder von uns hatte ihr den Erfolg gegönnt.
In London bleiben wollte sie nicht. St. Petersburg lockte und dort auch ein alter Freund von mir. Wladimir Golenkow würde für Karina eine neue Aufgabe haben, da war sie sich sicher, und sie hatte auch einige Male mit ihm telefoniert.
Sie war noch in London geblieben, hatte uns bei den nachfolgenden Arbeiten geholfen, bis sie sich überflüssig vorgekommen war und den Rückflug angetreten hatte.
Ich wollte nicht, daß sie allein zum Flughafen fuhr. Deshalb brachte ich sie hin. Das Gepäck war schnell verstaut. Wir hatten noch etwas Zeit, und Karina schaute mich ein wenig wehmütig über den Rand ihrer Kaffeetasse an.
»Tut es dir leid?«
»Ein wenig schon«, gab sie zu.
»Du kannst es dir ja noch überlegen. Auch hier werden Leibwächter gesucht.«
»Ich weiß, John. Danke für das Angebot. Aber meine Heimat ist und bleibt mir wichtig. Vor allem nach diesen Dingen, die nicht mehr rückgängig zu machen sind. Es wird sich in der Szene herumsprechen, wer bei der Zerschlagung mitgeholfen hat. Ich könnte mir vorstellen, daß mich einige der Mafiosi mit großem Haß verfolgen und mich lieber tot als lebendig sehen.«
»Das kann dir passieren.«
»Eben. Deshalb fliege ich wieder zurück. Bei Wladimir Golenkow bin ich wirklich gut aufgehoben, das brauche ich dir ja nicht erst zu sagen. Ihr seid schließlich befreundet.«
»Stimmt.«
Sie lächelte. Ich schaute sie an. Die Spannung war aus ihrem Gesicht gewichen. Es sah nicht mehr so hart aus. Auch ihre Augen hatten den kalten Glanz verloren. So wie sie mir gegenübersaß, war sie eine hübsche, junge Frau mit einem modernen Haarschnitt und auch moderner Kleidung. Sie wirkte so gar nicht wie eine Karatekämpferin oder eine Person, die perfekt schießen konnte.
Sie faßte nach meiner Hand. »Du hättest mich gern hier in London behalten, nicht?«
Ich brummelte die Antwort. »Das wäre nicht schlecht gewesen.«
»Ich mag dich auch, John.«
Verdammt, sie hatte
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