106 - Atomgespenster
ganze
Gefährlichkeit zeigten.
Mandy Gorling fuhr mit überhöhter Geschwindigkeit
und halsbrecherisch.
Morna saß wie versteinert hinter dem Steuer
ihres Autos und starrte in den Lichthof, den die Scheinwerfer auf der versandeten
und unkrautüberwucherten Straße schufen.
Der Regen prasselte herab, als hätte der
Himmel sämtliche Schleusen geöffnet.
Morna mußte alles daran setzen, Mandy Gorling
den Weg abzuschneiden, damit diese nicht zu nahe dem gefährlichen Gelände kam.
Die ersten Warnschilder wurden bereits sichtbar.
Rund eineinhalb Kilometer rings um das
Werkgelände war die Grenze des damals durch radioaktiven Dampf verseuchten
Gebietes. Die Straße lag weit genug von dieser Zone entfernt, und erst jenseits
des gewaltigen Zaunes begann die >Todeszone<, wie das Versuchsgelände
seit langem bezeichnet wurde.
Dann kamen die Umzäunung und dahinter die
Silhouette des Atomkraftwerks Mealburg in Sicht.
Mandy Gorling fuhr über den Straßenrand
hinaus und direkt auf den Zaun zu.
»Sie hat den Verstand verloren«, entfuhr es
Morna Ulbrandson.
Die ehemalige Tänzerin stürzte aus dem Auto,
ohne den Motor und die Scheinwerfer auszuschalten.
Dann rannte sie los.
Sie war im Bereich, der aufgrund der
Warnschilder als >Gefährlich< eingestuft war.
Aber Mandy Gorling nahm darauf keine
Rücksicht.
Morna fuhr bis zum Straßenrand. Hier war der
Boden aufgeschüttet und als Hindernis aufgerichtet, um jedem ,
der verbotenerweise hierher kam, auf diese Weise zu zeigen, daß es hier
wirklich nicht weiterging.
Auch rechts war eine Bodenwelle. Dahinter
erblickte Morna, als sie mit ihrem Wagen vorüberfuhr, zwei andere Fahrzeuge.
Einen Cadillac und einen Kleinlastwagen.
Wer war noch hier?
Das Ereignis wurde immer rätselhafter.
»Shirley ?« rief
Mandy Gorling, und ihre Stimme hallte durch die Nacht.
Morna gefror das Blut in den Adern.
Mandy Gorling war jetzt am Zaun.
Und dahinter - in den Gebäuden zwischen den
riesigen, mehr als dreißig Meter durchmessenden Kühltürmen - war Lichtschein zu
erkennen!
Das Werk war beleuchtet - und als Morna die
Tür aufriß, um Mandy Gorling zurückzurufen, hörte sie ein leises Brummen und
Summen.
Turbinen liefen?!
Das defekte Atomkraftwerk befand sich in
Betrieb?!
X-GIRL-C erschauerte.
»Mandy! Kommen Sie zurück! Sie laufen in
Ihren Tod hinein !« - Morna schrie so laut sie konnte.
Ihre Stimme hallte durch die Dunkelheit.
Mandy Gorling schien sie jedoch nicht zu
hören oder hören zu wollen. Wie von Sinnen krallte sie ihre Hände in den Zaun,
riß daran herum und schrie immer wieder den Namen des Mädchens, das vor sieben
Jahren geboren und ihr weggenommen worden war.
Morna Ulbrandson aktivierte den Sender in der
kleinen Weltkugel, die als Anhänger an einem goldenen Gliederarmband hing.
Sie informierte schnell und präzise die
PSA-Zentrale in New York vom Ablauf, forderte umgehende Unterrichtung des
Katastrophenschutzes an und um Bereitstellung eines Schutzanzuges.
Nichts anderes konnte sie im Moment tun, ohne
ihre eigene Gesundheit und ihr Leben zu gefährden.
Sie konnte Mandy Gorling nicht weiter
verfolgen.
Zu deutlich stand ihr das Schicksal
Jacqueline Canvens vor Augen, die ohne Schutzkleidung der zersetzenden
Strahlungsgewalt ausgesetzt war.
Im Zaun gab es ein Loch!
Mandy Gorling entdeckte es und kroch
hindurch.
Wie von Furien gehetzt lief sie auf das
Gelände, wirkte winzig und verloren zwischen den Gebäuden und den Kühltürmen.
In der trüben Luft, die über dem Gelände lag, schien der Atem des Bösen und der
Vernichtung zu liegen.
Mandy Gorling verschwand im Schatten der
Spannbetonhalle.
Genau in dem Moment war das leise, akustische
Signal zu hören.
Dann eine Stimme. »Schwedenmaid? Hallo,
kannst du mich hören? !«
»Larry !« rief
X-GIRL-C- überrascht aus. »Wo bist du? Um Himmels willen, was ist los ?«
Es lief ihr eiskalt über den Rücken, als sie
die schwache und verzerrt klingende Stimme des Freundes und Kollegen vernahm.
»Es war ’ne ganze Menge los. Jetzt geht’s
schon wieder aufwärts ... Funner und ich wurden in
einem Kühlkeller von einem Unbekannten eingesperrt. Wir sind noch drin ... Ich
konnte einen Steinquader aus der Wand brechen, so daß die Funkwellen in dem
fensterlosen Verlies isoliert waren. Zum Glück fiel vor über drei Stunden schon
der Generator aus. Der Tank ist leer. Damit funktionieren auch die
Kühlmaschinen nicht mehr. Hier ist’s zwar immer noch verdammt kalt, aber es
gibt wenigstens kein Gefrierfleisch
Weitere Kostenlose Bücher