106 - Der Tod aus der Zauberkugel
brachte. Ich landete in einem gewaltigen Gewölbe. Die Wände leuchteten grün. Es war ein unterirdischer Kanal, in dem ich mich befand. Ich ging langsam den Kai entlang und sah mir die Schiffe an. Meine Vermutung war richtig gewesen: die alte Hexe holte sich ihre Opfer vom Meer.
Überlegend blieb ich stehen. Es konnte ganz gut sein, wenn ich ein Boot hatte, mit dem ich unter Umständen flüchten konnte. Deshalb sah ich mir einige Boote genauer an, startete sie und fuhr ein paar Meter. Schließlich hatte ich das geeignete Boot gefunden. Ich lud von anderen Booten Benzinkanister hinein und durchsuchte die größeren Boote nach Waffen. Ein paar Gewehre, Pistolen und Handgranaten entdeckte ich in einer Jacht, die schon viele Jahre hier liegen mußte. Nahrungsmittel fand ich genug. Ich lud einige Konserven um, startete nochmals das Boot und ließ es einige Minuten laufen. Zufrieden stellte ich den Motor ab.
Dann lief ich den Kai bis zum Ende entlang. Eine gewaltige Lavawand versperrte mir den Weg.
Über eine halbe Stunde mußte ich suchen, bis ich den Öffnungsmechanismus entdeckt hatte.
Diesmal suchte ich nicht nach einem Magnetfeld, sondern setzte den Weg zu Fuß weiter. Ein breiter Gang führte direkt ins Schloß. Der Gang endete in einem düsteren Raum. Ich hatte eine Taschenlampe mitgenommen und blickte mich in Ruhe um. Hier war ich schon einmal gewesen. Ich sah den Brunnen, auf dem der Stein lag.
Mir blieb keine Zeit mehr, nach eventuellen Gefangenen zu suchen. In wenigen Stunden würde es dunkel sein, und ich benötigte unbedingt etwas Schlaf.
Eine halbe Stunde mühte ich mich ab, bis ich endlich ein Magnetfeld entdeckte, das mich zurück in den Brunnen brachte. Ich verwandelte mich zurück in einen Kappa, schloß die Augen und glitt angeekelt in die stinkende Brühe. Sekunden später war ich eingeschlafen.
Als erster konnte sich George Mair bewegen. Er war der Kapitän und Steuermann der „Flying Horse", ein stämmiger Mittvierziger. Er richtete sich mühsam auf. Seine Glieder fühlten sich bleiern an. Unerträgliche Kopfschmerzen trieben ihm Tränen in die Augen. Nach wenigen Minuten ließ er sich niederfallen, stöhnte und wälzte sich auf den Rücken. Jede Bewegung fiel ihm schwer.
Das Gewölbe war in mattes ziegelrotes Licht getaucht. Die dunklen Wände schimmerten geheimnisvoll.
Tony Vernon versuchte ebenfalls aufzustehen, doch er war zu schwach dazu. Er biß die Zähne zusammen und schloß die Augen wieder. Tony hatte entsetzlichen Durst. Noch immer konnte er nicht glauben, was geschehen war. Diesen entsetzlichen Anblick würde er sein ganzes Leben lang nicht vergessen. Die Hexe hatte dem unglücklichen Leo Ognall das Blut ausgesaugt, und die Fledermausmenschen waren ihrem Beispiel gefolgt. Er erinnere sich an ihre Worte, daß sie alle der Reihe nach töten würde. Vampire! Niemals hätte er geglaubt, daß es sie tatsächlich gab.
Stöhnen, Schluchzen, Wimmern und Geheule erfüllte die Höhle. Alle waren bei Bewußtsein, und jeder reagierte auf seine Art. Das Grauen saß allen in den Gliedern.
Nach einigen Minuten ließen Tony Vernons Kopfschmerzen etwas nach. Er erhob sich, taumelte auf eine der leuchtenden Wände zu und lehnte sich dagegen. Der Gestank im Gewölbe raubte ihm den Atem. Trotzdem zog er seine Zigaretten hervor, steckte eine zwischen die Lippen und suchte nach seinem Feuerzeug, bis ihm einfiel, daß er es im Kampf gegen die Fledermäuse fallen gelassen hatte. „Hat irgend jemand Feuer?" fragte er.
Seine Stimme klang spröde.
Peter Brooke, der junge Matrose, den Diana verführt hatte, hielt ihm eine Schachtel Streichhölzer hin.
Tony steckte die Zigarette an und rauchte gierig.
„Danke", sagte er und warf Brooke die Zündholzschachtel zu.
Sein Blick fiel auf den riesigen Skeletthaufen. Die Schädel waren fein säuberlich der Reihe nach aufgestapelt. Unwillkürlich fing er zu zählen an, bis ihm das Absurde seines Unterfangens bewußt wurde. Schauernd wandte er den Blick ab.
Die meisten seiner Freunde und Besatzungsmitglieder lagen noch auf dem Boden. Einige krümmten sich, andere stöhnten, als hätten sie Fieber.
Neben den Totenschädeln entdeckte er einige Kannen. Rasch ging er auf sie zu, bückte sich und hob eine hoch. Sie war mit fauligem Wasser gefüllt. Gierig trank er einen Schluck.
„Hier gibt es Wasser!" sagte Tony und wischte sich die Lippen ab. „Hat jemand Durst?"
Alle hatten Durst. Er schnappte zwei Kannen und gab zuerst den Frauen zu trinken. Irene Read
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