106 - Der Tod aus der Zauberkugel
recht; ich durfte nicht das Leben von unschuldigen Menschen gefährden; ich mußte endlich einen Schlußstrich unter mein bisheriges Leben setzen und versuchen, mich zu ändern, so schwer es mir auch fallen würde.
„Gut", sagte ich leise. „Geh zum Haus! Ich werde zum Hügel reiten und das Haus nicht aus den Augen lassen."
„Danke, Tomotada", hauchte Tomoe und drückte meine rechte Hand.
Ich sprang auf das Pferd, gab ihm die Sporen und galoppierte auf den etwa fünfhundert Meter entfernten Hügel zu. Immer wieder wandte ich den Kopf um. Tomoe ging langsam auf das Haus zu.
Ich mußte nicht lange suchen, da hatte ich eine Höhle gefunden, in der genügend Platz für das Pferd und mich war. Ich stieg ab, führte das unwillig schnaubende Tier in die Höhle und sah wieder zum Haus hin.
Tomoe stand vor der Haustür, die langsam geöffnet wurde. Einen Augenblick lang sah ich einen alten Mann, dann trat Tomoe ins Haus ein, und ich setzte mich nieder.
Noch hatte der Kokuo nicht meine Spur aufgenommen, doch ich wußte, daß er nicht locker lassen würde. Er wollte mich gefangennehmen. Und meine Spur fand er immer wieder.
Daran war die Maske schuld, die ich trug; durch sie konnte er immer wieder meinen Aufenthaltsort erfahren.
Dieses Leben war sinnlos, dachte ich. Völlig sinnlos. Irgendwann mußte ich mich von Tomoe und meinem Sohn trennen. Vielleicht fanden wir eine Familie, die Tomoe für immer aufnahm.
Ich dachte an meine früheren Leben zurück, in denen ich gegen die dunklen Mächte gekämpft hatte. Für mich war es entsetzlich, an mein Leben als Schwarzer Samurai zu denken. Zu viele Untaten und Grausamkeiten hatte ich begangen.
Langsam wurde es hell, und ich fiel in einen leichten Schlaf. Einmal wachte ich auf, holte die Satteldecke und wickelte mich in ihr ein; dann schlief ich weiter.
Es regnete leicht, als ich erwachte, und Nebelschwaden zogen vom Meer her.
Mir war eisigkalt, und ich hatte Hunger und Durst; doch ich wagte kein Feuer zu entfachen.
Ich beobachtete das Haus und hoffte, daß es Tomoe gutging. Einmal sah ich den alten Mann, den ich schon vergangene Nacht gesehen hatte. Er trat vor das Haus und blickte sich ein paar Minuten lang um. . Sobald es dunkel war, stand ich auf, verließ die Höhle und ging auf und ab. Ich fütterte das Pferd und suchte nach einer Quelle. Endlich fand ich eine. Das Pferd und ich tranken, dann kehrten wir zur Höhle zurück.
Das Haus war dunkel. Ich konnte es nur schemenhaft erkennen. Dann sah ich eine Gestalt, die auf mich zulief. Noch wartete ich, doch dann erkannte ich, daß es Tomoe war. Sie trug eine Kanne und eine Schüssel.
„Endlich!" sagte ich. „Ich fürchtete schon, daß du nicht kommen würdest. Wie geht es dir, Tomoe?" „Mir geht es gut", antwortete sie. „Die Familie Tadazuki ist ganz reizend zu mir. Sie haben mich wie ihre eigene Tochter aufgenommen und mich reichlich bewirtet. Es sind einfache Leute, die mich und unseren Sohn sofort ins Herz geschlossen haben. Ich kann einige Tage bei ihnen wohnen. Ich habe dir Sashimi und Reis gebracht und eine Kanne Tee. Ich werde versuchen, dir auch morgen etwas zu bringen."
„Danke, Tomoe", sagte ich. „Ich bin glücklich, daß es dir gutgeht. Erhole dich ein paar Tage! Komme wieder zu Kräften, dann setzen wir die Flucht weiter fort."
„Ich will nicht mehr fliehen, Tomotada. Ich will nicht mehr."
„Darüber sprechen wir in ein paar Tagen", sagte ich ausweichend. „Geh zurück, sonst werden sie vielleicht mißtrauisch!"
Mein Herz war schwer, als sie zum Haus zurückging.
Ich nahm den Deckel von der Schüssel. Heißhungrig schlang ich die leicht gekochten Fischscheiben und den Reis hinunter. Dazu trank ich den warmen Tee.
Drei Tage hauste ich nun schon in der Höhle. Das Wetter war noch scheußlicher geworden. Es regnete ohne Unterbrechung. Tomoe hatte mir jeden Tag Nahrung gebracht.
Der Kokuo hatte anscheinend im Augenblick wichtigere Dinge zu tun, als mich zu verfolgen, denn ich hatte nicht gespürt, daß er über die Maske mit mir Kontakt aufnehmen wollte.
Am vierten Tag, als Tomoe zu mir kam, stand mein Entschluß fest.
„Ich will bei der Familie Tadazuki bleiben", sagte Tomoe. „Sie haben mir selbst diesen Vorschlag gemacht. Hier geht es unserem Sohn gut. Und ich fühle mich bei der Familie wohl. Du wolltest doch einen sicheren Aufenthaltsort für deinen Sohn. Hier haben wir ihn gefunden. Der Kokuo wird ihn hier nicht finden."
„Ich werde dich verlassen, Tomoe", sagte ich.
„Was
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