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1060 - Die Mystikerin

1060 - Die Mystikerin

Titel: 1060 - Die Mystikerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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wehren.«
    »Aus deiner Sicht mag das stimmen«, sagte Jane. »Ich frage mich nur, wie du hierhin gekommen bist.«
    »Ich sollte hier warten.«
    »Auf Hildegarda?«
    »Ja.«
    »Warum gerade hier? Warum gerade an einem Ort, den auch dein Vater gut kennt, weil er vor einigen Jahren hier gearbeitet und dich oft mitgenommen hat, weil du so gern die Züge gesehen hast? Warum gerade hier?«
    Sie schwieg.
    Jane war noch nicht fertig. »Warum hast du deinen Vater angerufen, nachdem du über zwei Jahre nichts mehr von dir hast hören lassen? Du warst verschwunden. Du hast dich irgendwo herumgetrieben. Plötzlich hast du deinem Vater Bescheid gesagt, daß es dich wieder gibt. Was hast du damit bezweckt?«
    Ihre Antwort überraschte uns. »Ich war vielleicht zu sentimental. Ich wollte Abschied nehmen. Das ist alles. Du hast recht, ich habe mich zwei Jahre herumgetrieben, bis Hildegarda kam und mich aus dem Sumpf hervorzog.«
    »Dürfen wir erfahren, wie dieser Sumpf aussah?«
    »Ein Bordell!« stieß sie hervor. »Ein verdammter Puff! Jetzt wißt ihr es!«
    »Nur teilweise«, sagte Jane. »Dein Vater hat mich beauftragt, dich zu suchen, weil du nicht aus einem Bordell geflohen bist, sondern aus einem Krankenhaus, in das man dich eingeliefert hat. Das ist sein Grund gewesen.«
    »Danach!« schrie sie. »Ich war high, ich war voll. Man hat mich gefunden und eingeliefert. Es war kein Krankenhaus, es war eine Scheiß-Anstalt. Da ist Hildegarda zu mir gekommen und hat mir den neuen Weg in die Zukunft gewiesen.«
    »Du bist ein Junkie?« fragte ich.
    »Nein, nein, Sinclair. Ich bin kein Junkie. Ich bin keiner mehr. Ich war ein Junkie. Ich war auch eine Nutte. Das alles war in meinem ersten Leben, nicht jetzt. Es ist vorbei. Hildegarda hat mir den neuen Weg gezeigt, und ihn werde ich gehen. Niemand kann mich davon abhalten, auch ihr beide nicht.«
    Es war schon irgendwie erstaunlich, mit welch einer Selbstsicherheit diese junge Frau redete. Sie entsprach äußerlich so gar nicht den Vorstellungen, die man sich landläufig von einer Frau des horizontalen Gewerbes macht. Sie war eher zart, auch vom Gesicht her. Eine junge Frau, die Beschützerinstinkte in einem Mann wachrief. Braune Augen in der Farbe des kurzgeschnittenen Haares, das durch einen Mittelscheitel geteilt wurde. Die Wangen waren etwas eingefallen und endeten zu beiden Seiten eines kleinen, herzförmigen Munds.
    Aber wer schaute schon einem Menschen hinter die Stirn?
    »Dann werden wir gehen«, sagte ich.
    »Wohin?«
    »Zu meinem Wagen. Wir werden dich zu Scotland Yard bringen, Amy. Dort werden sich die Kollegen mit dir beschäftigen. Ich bin ehrlich zu dir. So wird es sein.«
    »Du hast etwas vergessen, Sinclair.«
    »Ach ja? Was oder wen denn?«
    Die Antwort bestand nur aus einem Wort. »Hildegarda.«
    »Nein, ich habe sie nicht vergessen. Ich verspreche dir auch, daß wir ihr Bescheid geben werden, wenn du es erlaubst. Dann kann sie zu dir kommen.«
    »Das wird nicht nötig sein.«
    »Warum nicht?«
    »Sie findet mich von allein. Sie weiß, wo ich bin. Sie läßt mich nicht aus ihrem Schutz. Sie ist mein Engel. Sie ist diejenige, auf die ich mich immer verlassen kann.« Amy lächelte jetzt breit, und ihre Augen fingen an zu strahlen. »Hildegarda ist schon da«, flüsterte sie uns zu. »Ich kann sie spüren. Sie wartet auf mich, weil sie mich braucht. Mich und viele andere. Sie ist sehr gütig und gut zu ihren Freunden, doch zu den Feinden kann sie böse und grausam sein. Ihr habt es nicht verdient, aber ich habe euch trotzdem gewarnt.« Amy nickte. »So, und jetzt können wir gehen. Ich will es sogar. Ich will endlich raus hier.«
    Jane schaute mich mit dem Blick Verstehst-du-Sie? an. Ich war ebenso weit weg wie sie, enthielt mich aber eines Kommentars und deutete mit der rechten Hand in Richtung Ausgang.
    Amy wehrte sich nicht. Sie war anscheinend froh, hier wegzukommen. Sie ließ es auch zu, daß Jane ihren Arm nahm und sie führte.
    Ich blieb hinter den beiden und warf noch einen Blick in das Zimmer, in dem der Tote lag.
    Auf dem Tisch. Wie ein Opfer. Oder wie zum Ritual hingelegt. Für wen? Für diese rätselhafte Hildegarda? Amys Erklärungen hatten mich praktisch gezwungen, über Hildegarda nachzudenken, und ich fragte mich wirklich, was sie für eine Person oder Frau war. Ihr Name klang seltsam. So wie sie nannten sich Nonnen. Ihr Name war abgeleitet von der Heiligen Hildegard. Konnte es sein, daß sich hinter dem Namen tatsächlich eine Ordensfrau verbarg, die

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