1062 - Und abends kommt der böse Mann
dem Tritt gebracht. Ich war verflixt nahe dran, zu sterben. Ich habe erlebt, wie leicht es gewesen ist, trotz meiner Waffen. Ich habe möglicherweise auch zu stark gedacht, daß mich so leicht nichts mehr erschüttern kann, nach dem, was wir alles hinter uns haben. Aber das ist jetzt vorbei. Dieser Kinderschreck hat mir tatsächlich meine Grenzen aufgezeigt. Daran habe ich zu knacken, wenn ich ehrlich sein soll. Es war sicherlich auch gut so.«
Ich schlug ihm leicht auf die Schulter. »Toll, daß du so denkst, ehrlich. Manchmal ist es gut, wenn der Mensch wieder zurück auf den Teppich geholt wird.«
»Das wollte ich dir nur sagen, damit du meine Reaktion verstehen kannst.«
Ich schwieg. Schaute wieder nach vorn, ließ die Blicke über die Grabsteine gleiten, die alle drei die gleiche Höhe aufwiesen. Auch die Zwischenräume waren gleich. Jemand mußte da mit einem Lineal abgemessen haben.
Und dann war er da!
Es ging so schnell, daß wir überrascht wurden und zunächst nichts tun konnten. Er stand hinter uns, er kam auch nicht von der Seite her, wir hatten auch keine Schritte gehört, er war einfach vorhanden, als hätte er sich materialisiert.
Wir sahen ihn vor uns. Dicht über den Grabsteinen malte er sich ab. Er mußte es einfach sein, obgleich er nicht so aussah, wie Suko ihn in Erinnerung hatte.
Monty, the Angel, war zu einem häßlichen, abstoßenden und trotzdem clownartigen Gebilde geworden…
***
Der Totenschädel malte sich über dem in der Mitte stehenden Grabstein ab. Ein blankes, gelbliches Knochengebilde mit einem weit geöffneten Maul, mit Löchern, wo einmal die Nase gewesen war, mit Augen, in denen das kalte, blaue Licht leuchtete und mit einer buschigen Perücke aus gelblichem Haar umgeben, das sehr strähnig und trotzdem dicht aussah und den häßlichen Kopf wie eine starrte Mähne umwallte.
Das war nicht lächerlich, das war einfach widerlich. Dieses Gesicht brachte die Angst, obwohl der Schädel mit dem aufgerissenen Maul so grinsend wirkte oder auch wie ein hautloser Kopf, dessen Maul bei einem Lachanfall starr geworden war.
Böse, clownhaft, widerlich. Dazu das kalte Licht in den Augen, das ich ebenfalls zum erstenmal sah. Bisher kannte ich die Gestalt nur aus Sukos Erzählungen.
Ich mußte zugeben, daß dieses blaue Licht etwas hatte. Darin steckte die Kraft, die einen Menschen vernichten konnte. Nicht so wie bei Luzifer, dem absoluten Herrscher der Finsternis, aber auch dieser Blick hatte etwas, das von der Aura des Luzifer nicht weit entfernt war.
Durch den weit geöffneten Mund schienen wir an- oder ausgelacht zu werden. Es war auch nicht zu erkennen, ob wir es mit einem echten Kopf zu tun hatten oder nur mit einer Maske. Eines allerdings stand fest. Es war der echte Monty.
Ich dachte an seinen Beinamen. Man hatte ihn den Kinderschreck getauft. Wenn er sich seinen Opfern zunächst in dieser Verkleidung gezeigt hatte, traf der Name durchaus zu. Ein Kind mußte durchdrehen, wenn es diese Gestalt sah. Das konnte überhaupt keinen klaren Gedanken mehr fassen. Das war auch nicht zum Lachen, da hatte Monty für meinen Geschmack leichtes Spiel gehabt.
Wir starrten ihn an, er starrte zurück und keiner von uns bewegte sich von der Stelle.
»So kannte ich ihn nicht«, sagte Suko leise. »Ich weiß nicht, wieso er hier mit einem Totenschädel erschienen ist. Alles was recht ist, John, meine Beschreibung hat gestimmt, die ich dir gab, und dieser Monty hatte ein menschliches Gesicht. Da habe ich mich nicht geirrt.«
»Wie machen wir es?«
»In die Zange nehmen.«
»Ist eine Idee. Falls wir dazu kommen.«
»Wir können die Berettas ziehen und…«
»Nein, nein.«
Ich schwieg. Es war verrückt. Wir beide waren nun beileibe keine Anfänger. In diesem Fall reagierten wir so und gaben ein Bild zweier Menschen ab, die den Schock noch nicht richtig überwunden hatten. Es konnte stimmen, mußte aber nicht so sein, doch für uns beide war es müßig, über ein weiteres Vorgehen nachzudenken, denn Monty handelte als erster.
Er hüpfte plötzlich in die Höhe. Der Kopf tanzte wirklich nach oben, wir sahen einen Teil des Körpers, dann zuckte er zur Seite, erreichte den linken Grabstein, blieb dort nicht einmal eine Sekunde, bewegte sich sofort wieder zur Mitte und augenblicklich weiter nach rechts, wo er den anderen Grabstein erreichte.
Er führte den Tanz fort.
Den rechten, den in der Mitte, den linken, und dabei klappte er sein Maul auf und zu. Was er uns damit beweisen wollte, wußten
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