1062 - Und abends kommt der böse Mann
von einer gewissen Feuchtigkeit erfüllt. Auf den Zweigen und Blättern lagen die letzten Regentropfen, die erst später abfallen oder verdunsten würden.
Ein stilles Gebiet, in dem nur unsere eigenen Schritte zu hören waren oder hin und wieder das Zwitschern eines Vogels, der sich in irgendeinem Baum versteckt hielt.
Suko, der rechts von mir ging und in den letzten Minuten schweigsam, aber aufmerksam gewesen war, deutete nach vorn und nach rechts. »Da liegen sie, John…«
Ich schaute hin und mußte Suko zustimmen. Wir hatten die drei Gräber gefunden und standen nur wenig später davor.
Drei Gräber, die identisch waren. Gepflegt wie kaum andere Grabstätten in der Nähe. Der frische Blumenschmuck deutete darauf hin, daß er erst vor kurzem auf die Gräber gestellt worden war.
Diese Kinder waren von ihren Angehörigen nicht vergessen worden. Selbst die Kantsteine wirkten wie frisch poliert.
Suko und ich traten näher heran, blieben vor den drei Gräbern stehen und schauten genauer hin. Uns interessierten jetzt vor allem die Grabsteine, die ebenfalls identisch waren. Keine protzigen Monumente, sondern schlichte Denkmale, die davon zeugten, daß die Ermordeten nie aus dem Gedächtnis der Menschen gestrichen werden sollten.
Die Namen und Daten der Kinder waren in die Steine eingemeißelt worden. Man konnte sie auch auf eine gewisse Entfernung hin lesen, da sich die Farbe der Buchstaben – ein helles Weiß – von dem Grau der Steine abhob.
Sie waren zweitrangig. Etwas anderes störte uns und hatte uns auch erstarren lassen.
Die Grabsteine waren beschmiert und geschändet worden. Auf jedem lasen wir ein bestimmtes Wort. Insgesamt waren es nur drei, aber wir wußten, wer sie hinterlassen hatte.
»Verdammt!« flüsterte ich, während ich noch einmal las.
BIN WIEDER DA!
Nicht mehr und nicht weniger. Auf drei Steine verteilt. Mit krakeliger Schrift geschrieben. Eine Schändung dieser Erinnerungsstätte. Ich mußte daran danken, daß auch die Gräber meiner Eltern geschändet worden waren. Und zwar von einem Sinclair, der jeden anderen Sinclair hatte töten wollen.
Töten wollte auch Monty, the Angel.
Suko hatte mein Flüstern gehört und schaute mich lange von der Seite her an, bevor er sagte: »Deshalb also wollte Monty, daß wir kommen. Wir sollten seine Botschaft sehen und lesen. Wir haben sie gelesen, John.«
»Und weiter?« fragte ich.
»Nichts weiter, gar nichts.«
Das glaubte ich ihm nicht. Unsere Feinde taten nichts ohne Hintersinn. Suko wollte seine Gedanken für sich behalten oder mich dazu animieren, selbst einen Kommentar abzugeben. »Es wird dabei nicht bleiben, glaube ich. Dieser Monty versucht, uns sein Spiel aufzudrücken. Okay, wir sind hier. Wir lesen seine Botschaft. Damit kann und wird er nicht zufrieden sein. Ich denke auch noch einen Schritt weiter.«
»Ebenfalls, John. Er wird sich möglicherweise in der Nähe aufhalten und uns beobachten.«
»Bingo.«
Die Umgebung war äußerst günstig für ihn. Es gab genügend Deckung in der Nähe. Hinter den Gräbern wuchsen die hellen Stämme schlanker Birken in die Höhe. Das frische Grün der Blätter leuchtete auf seine Art und Weise. Sie schimmerten in einem leichten Glanz, wenn der Wind gegen sie fuhr und sie bewegte, so daß es aussah, als würden sich Licht und Schatten auf den Blättern abwechseln.
Hinter uns war das Gelände zwar nicht frei, aber Gräber gab es dort noch nicht. Es lag praktisch brach oder in Wartestellung und wurde erst benutzt, wenn andere Felder voll waren.
Ein ungewöhnlicher Geruch umschwebte uns. Es roch einfach nicht nach Friedhof, wie wir es sonst von Besuchen her kannten.
Durch die Blumen hatte die Umgebung auch nicht den traurigen Charakter bekommen, aber davon ließen wir uns nicht täuschen.
Hier war etwas. Hier hielt sich etwas versteckt. Wir mußten es nur schaffen, dieses Verborgene ans Tageslicht zu zerren.
»Das kann nicht alles gewesen sein«, sagte ich leise. »Da steckte mehr dahinter.«
»Wo willst du suchen, John?«
»Gute Idee. Du bleibst hier, ich schaue mich in der Umgebung um.« Mit der ausgestreckten Hand malte ich nach, welchen Weg ich ungefähr gehen wollte.
Suko überlegte einen Moment, bevor er nickte. »Ja, das kann klappen.«
Ich runzelte die Stirn. »Du redest so komisch. Ist was mit dir?«
Wirklich, so kannte ich ihn nicht. Er kam mir nicht mehr so souverän vor wie sonst.
Er lächelte etwas bissig. »Ich will ehrlich sein, John. Die Begegnung mit Monty hat mich aus
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