1062 - Und abends kommt der böse Mann
»Was ist, Geisterjäger, John Sinclair, steigst du auf das Karussell?«
»Ich bin schon drauf.«
»Okay, dann stellen wir es an.«
»Und wo fährt es uns hin?«
»Zu einem Friedhof. Zu drei Kindergräbern, die dort zu besichtigen und zu besuchen sind. Monty hat mir ja erklärt, daß er mich dort erwartet, und ich werde gehen.«
»Wird er denn auch kommen?« fragte ich.
»Darauf kannst du dich verlassen. Er ist ein Spieler, der alles gewinnen will.«
»Und Rankin hat er vergessen?«
»Vorerst. Ich war ihm wichtiger. Mit mir macht es ihm mehr Spaß.« Suko schüttelte den Kopf. »Meine Güte, was habe ich für ein Glück gehabt, wenn ich jetzt darüber nachdenke.« Er konnte es einfach nicht fassen.
Ich verstand ihn. Gerade Suko war jemand, der sich nicht hatte überfahren lassen und unseren Feinden immer wieder Paroli geboten hatte. Er hatte mich so manches Mal rausgehauen und dabei eigentlich immer den Überblick behalten. Um so schwerer war es ihm gefallen, die Niederlage, die ja im Prinzip keine war, zu akzeptieren. Er saß zum Glück hier vor uns, und wir brauchten nicht seine Leiche abzuholen.
Andererseits hatte Monty wohl den typischen Fehler aller Dämonen begangen. Dafür gab es nur einen Begriff: Überheblichkeit.
Er hatte sich wieder einmal über die Menschen gestellt, um ihnen zu zeigen, welche Wichte sie doch letztendlich waren. Für uns ein Vorteil, den wir schon manches Mal genossen hatten.
»Und?« fragte ich. »Wieder okay? Oder soll ich allein zum Friedhof fahren?«
Suko bekam den bösen Blick. »Untersteh dich. In dieser Sache muß ich einfach mitmischen.«
»Übernehmt euch nicht«, warnte Glenda.
»Keine Sorge, das packen wir.«
Sie regte sich auf. Auf ihrem Gesicht erschienen rote Flecken.
»Ich habe einfach nur Angst um euch. Wenn Monty tatsächlich so gefährlich ist, dann seid ihr des Lebens nicht mehr sicher.«
»Aber diesmal ist es anders, Glenda«, sagte ich. »Da deckt einer den Rücken des anderen.«
Das letzte, das wir von Glenda zu sehen bekamen, war ihr besorgter Blick. Ich zog die Tür des Büros zu und hörte, wie Suko, der schon auf dem Flur stand, sagte: »Sie ist schon ein Schatz.«
Ich nickte. »Da sagst du was…«
***
Der Friedhof war ein großer Park und hatte so gar nichts Abstoßendes an sich. Keine hohe Mauer, kein hohes Tor, keine düstere Leichenhalle, auch nicht die alten wuchtigen Bäume. Er glich wirklich mehr einem Erholungspark, dessen künstlich aufgeschütteten Hügel ebenso auffielen wie die sauberen und gepflegten Wege, die den Friedhof durchzogen und zu den verschiedenen Gräberfeldern führten.
Wir suchten den Ort, an dem man die Kinder bestattet hatte. Von einem Gärtner hatten wir erfahren, in welche Richtung wir uns zu wenden hatten. Die Kinder lagen, wenn nicht in den Familiengruften der Eltern, etwas abseits. Auf dem Blumenfeld, wie man uns erklärt hatte, denn im Sommer waren dort besonders viele Blumen zu sehen.
Zu dieser Zeit blühten sie noch nicht, oder nur wenige. Auch wenn alle ihre Pracht entfaltet hätten, sie hätten es kaum geschafft, diesen trüben Tag zu verschönern. Überhaupt war es für uns nicht eben angenehm, den Teil eines Friedhofs zu besuchen, auf dem Kinder ihre letzten Ruhestätten gefunden hatten. Man muß einfach immer daran denken, wie jung sie gestorben waren. Viele sprachen von einem sinnlosen Tod, in dem Fall der drei Opfer des Kinderschrecks mußte ich dem auch zustimmen.
Wir hatten mit dem Fall damals nichts zu tun gehabt und nur darüber gelesen. Trotzdem konnten wir uns beide vorstellen, wie es den Eltern und Verwandten zumute gewesen sein mochte, als sie vor den Gräbern gestanden und zugesehen hatten, wie die Särge in die Erde gelassen wurden.
Suko und ich waren nicht die einzigen Besucher dieses Friedhofes, aber zumindest begegnete uns kein anderer nahe der Kindergräber, Dort waren die Wege schmaler angelegt. Die Büsche wirkten deshalb höher. Als hätte man das Gelände vor einem bösen Einfluß schützen müssen.
Wir sahen die ersten Grabsteine. Namen und Daten standen darauf. Babys waren hier beerdigt worden, aber auch ältere Kinder zwischen zwei und vierzehn Jahren.
Schicksale, die nicht vergessen waren. Beim Gehen überkam mich der Eindruck, die Tränen riechen zu können, die in dieser Umgebung vergossen worden waren.
Nebeneinander sollten die drei Gräber liegen und fast gleich aussehen. Wir würden sie nicht verfehlen. Der Wind wehte kühl in unsere Gesichter. Die Luft war zudem
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