1063 - Ein Hauch von Leben
ab. Langsam, um ihn nicht noch mehr zu quälen, verließen sie den einsturzgefährdeten Bau. Draußen war die Sonne inzwischen untergegangen, aber die erwarteten euphorischen Schreie der Eingeborenen blieben aus. Nur manchmal erhoben sich klagende Rufe und wimmernde Laute.
Dazwischen ertönte jenes berstende Krachen, das sich anhörte, als bräche massives Holz.
Von hier aus konnten sie nicht erkennen, was bei dem Lebensbaum geschah, doch Rhodan beschlich eine unbestimmte Ahnung. Er beschleunigte seinen Schritt. Hinter ihm schleppte sich Vejlo an Nurus Seite weiter. Die beiden waren nicht gefährdet, solange die Mutierten ihr Ritual nicht beendeten, und der Aktivatorträger konnte es verantworten, vorauszulaufen. Lange vor den Freunden erreichte er den geradlinig angelegten Weg, von dem aus das Zentrum der Oase einzusehen war.
Im hellen Licht der Sterne erblickte Rhodan den Baum, der sich wie unter einer schweren Last bog. Die Äste waren kahl und hingen tief herab. Der Stamm wirkte auf unnatürliche Weise gekrümmt. An vielen Stellen war die Rinde aufgeplatzt oder gesplittert, dort quoll weiches, faulendes Holz hervor. Einige dicke Wurzeln waren aus dem Boden gebrochen und bewegten sich quälend langsam durch die Luft, als suchten sie nach einem neuen, stabileren Halt.
Verstört und unbeholfen wimmelten die Eingeborenen um den Lebensbaum.
Offensichtlich wußten sie nicht, was sie tun sollten. Immer wieder winselten sie klagend.
Einige näherten sich vorsichtig dem Stamm, berührten ihn blitzartig und fuhren sofort zurück, als hätten sie einen unglaublichen Frevel begangen.
Wie gelähmt stand Rhodan da und beobachtete die Szene. Daß Vejlo und Nuru zu ihm aufschlossen, registrierte er kaum. Abermals splitterte ein Stück Rinde und brach knallend auseinander. Gleichzeitig bewegten sich Äste und Wurzeln, träge hob sich an einer Stelle der Boden.
„Wie entsetzlich...", flüsterte neben ihm der Analytiker fassungslos. „Dieser Baum - stirbt."
Rhodan fühlte, wie ihm das Blut in den Adern gefror. Der Lebensbaum ächzte förmlich, als böte er alle innere Kraft auf, die Vernichtung zu verhindern, die zerstörerischen Vorgänge zu stoppen. Die aufgewölbte Erde teilte sich, als eine weitere Wurzel krachend an die Luft schoß. Mehrere Äste brachen nieder. Erschrocken stoben die Eingeborenen nach allen Seiten davon.
Unendlich langsam bewegte sich der Stamm. Aus seiner gebeugten Haltung richtete er sich knirschend ein winziges Stück auf, bevor er machtlos zurückschnellte. An vielen Stellen zwängte sich quellendes Holz durch die poröse Rinde und riß sie in faserige Fetzen. Die Mutierten liefen jaulend und kreischend durcheinander.
„Wir müssen gehen!" drängte Nuru mit belegter Stimme. Auch ihn berührte der Anblick zutiefst. „Wir können nicht warten, bis alles vorbei ist und die Eingeborenen sich auf uns stürzen."
Rhodan fiel es schwer, seine Aufmerksamkeit von dem Geschehen zu lösen. Er schüttelte sich voller Grauen, als er sich abwandte und neben den Freunden den Rückweg zur Space-Jet antrat. Immer wieder sah er sich um, und jedes Mal bot sich ihm ein schrecklicheres Bild. Nichts konnte den Baum noch retten.
Die enervierende Geräuschkulisse dieses entsetzlichen und zugleich grandiosen Sterbens verfolgte die Männer noch, als sie die Rampe des Schiffes bereits erreichten.
Vejlo war von dem tagelangen Marsch durch die Wüste geschwächt, aber er hatte gut mitgehalten.
„Dieser uralte Baum wehrt sich gegen das Ende", sagte er, als er die Schleuse betrat.
„So, wie sich der andere gegen uns gewehrt hat. Man könnte fast meinen, jemand hätte diesen konservierten Gewächsen Leben eingehaucht."
Rhodan verspürte so etwas wie Mitleid, als abermals lautes Krachen zu hören war.
Ja, dachte er betroffen, es schien beinahe, als seien diese Lebensbäume auf unerklärliche und geheimnisvolle Weise beseelt. Es war nicht nur eine sinnvoll und zweckmäßig geordnete Ansammlung pflanzlicher Zellen, die da starb - es war mehr.
7.
„Ich habe es über die Teleobjektive gesehen", sagte Lena, während sie die Space-Jet sicher durch die Atmosphäre von Impuls II steuerte. „Der Baum war von wurmähnlichen Parasiten innerlich völlig zerfressen und teilweise ausgehöhlt."
„Er hat lange gekämpft, bevor er endlich zur Ruhe kam", entgegnete Rhodan leise. Noch immer stand er unter dem Eindruck dessen, was er aus der Ferne miterlebt hatte. Dann gab er sich einen Ruck und bemühte sich, die
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