1064 - Horror-Line
wunderschönen Maitag, an dem zum erstenmal seit langer Zeit wieder einmal die Sonne schien, hatte er Suko und mich zu einem Mann geschickt, der auf eine seltsame und ungewöhnliche Art und Weise ums Leben gekommen war.
Er sprach davon, daß die Kollegen sich keinen Reim darauf machen konnten, also wurden Suko und ich losgeschickt, damit wir uns den Toten anschauten.
Der Mann hieß Ted Riordan, lebte in einer Souterrain-Wohnung, zu der eine Treppe außen vor der Hauswand hinabführte, die wir aber nicht benutzen sollten, weil ein Absperrband gespannt war und ein Bobby mit finsterer Miene Wache hielt.
Einige Neugierige standen in der Nähe, stellten auch Fragen, bekamen jedoch keine Antworten.
Auch uns wollte der Mann aufhalten, bis Suko ihm seinen Ausweis präsentierte.
»Ja, die Gentlemen vom Yard. Sie werden schon erwartet. Doc Reiser ist extra am Tatort geblieben. Er möchte die Leiche auch bald wegschaffen können.«
»Dann lassen Sie uns mal durch«, sagte ich.
Der Weg wurde uns frei gemacht, und so stiegen wir die Stufen hinab, erreichten eine Tür, die nur angelehnt war, und drückten sie behutsam nach innen.
Nebel wehte uns entgegen. Allerdings Nebel, der roch und von einem Mann stammte, der fast immer Pfeife rauchte. Es war Doc Reiser, ein alter Bekannter, der schon seit Urzeiten Dienst tat und als Leichen-Reiser bekannt war.
Um uns zu sehen, mußte der Arzt zunächst einmal den Rauch zur Seite wedeln. »Da seid ihr ja endlich.«
»Wir haben uns beeilt.«
Er lachte. »Kann ich mir gar nicht vorstellen. Ist doch Biergartenwetter.«
»Deshalb haben wir uns auch so beeilt«, erklärte Suko. »Wir wollen später noch einen Schluck genießen.«
»Glauben Sie das?«
»Das hängt von Ihnen ab.«
»Nein, von der Leiche.« Er nahm die Pfeife aus seinem Mund und schüttelte den Kopf. »So etwas habe ich in meiner langen Praxis auch noch nicht erlebt. Machen Sie sich auf etwas gefaßt, meine Herren.«
»Gut.«
Leichen-Reiser drehte sich. Er war schon über sechzig. Graues Haar. Grauer Bart. Faltige Haut, aber hellwache Augen. Wir kannten ihn nur im weißen Kittel, und auch jetzt trug er diese Kleidung. Er war schon ein Original, ebenso wie unser Freund Chiefinspektor Tanner.
Der Arzt führte uns durch einen Flur und erklärte, daß die anderen Kollegen aus Zeitgründen schon weg waren. Durch eine offene Tür gelangten wir in den Raum, in dem die Leiche lag.
Er war recht groß. Ein Blick reichte uns, um erkennen zu können, welchem Beruf der Bewohner nachgegangen war. Die zahlreichen Bilder ließen darauf schließen, daß er sich als Maler betätigt hatte. Sie hingen nicht nur an den Wänden, sie standen auch auf dem Boden und lehnten an der Wand.
Werke, die noch keinen Rahmen erhalten hatten. Zwei von ihnen hatte der Mann nicht vollenden können. Die Bilder standen auf einer Staffelei und sahen noch ziemlich leer aus.
Der Tote lag auf einem Bett. Mehr eine Liege, die man ausklappen konnte. Ein zurückgelassener Scheinwerfer strahlte ihn an, und der Kegel stach genau gegen sein Gesicht.
»Schauen Sie sich das nur an!« sagte der Arzt leise.
Wir taten es und erbleichten zugleich. Verdammt, damit hatten wir nicht gerechnet.
Der Mann war gestorben, weil sein Kopf aufgeplatzt war. In Höhe des rechten Ohres, dessen Reste noch immer mit einem Telefonhörer verbunden waren. Der Apparat war geschmolzen und steckte noch in seinem Kopf. Umgeben war er von Blut, Knochen und Gehirnmasse. Wirklich ein Bild, das auch für uns einmalig war. Wir standen ebenso konsterniert vor dem Toten wie der Arzt.
»Es ist nichts verändert worden«, sagte Leichen-Reiser. »Und zwar bewußt nicht.«
»Wer hat ihn umgebracht?« fragte ich.
»Tja, ob man's glaubt oder nicht. Es muß wohl der Telefonhörer gewesen sein, der in seinen Kopf drang. Als hätte er ihn sich hineingerammt. Sagen Sie, was Sie wollen, ich verstehe das nicht. Ich kann mir nicht vorstellen, wie so etwas überhaupt passieren konnte. Ein Telefon, das im Kopf eines Menschen steckt. Tut mir leid, dafür finde ich keine Erklärung.«
»Wir auch nicht«, gab ich zu.
Leichen-Reiser lachte leise. »Aber es ist Ihr Fall. Das ist mir bereits zugetragen worden.«
Ich hob die Schultern. »Es trifft immer wieder die Falschen. Was hat diese Tat mit unserem Job zu tun?«
»Sie ist zumindest ungewöhnlich.«
»Das sind andere auch, Doc. Sie sollten das wissen.«
»Klar, ich habe schon die unmöglichsten und unwahrscheinlichsten Morde gesehen. Opfer, über die
Weitere Kostenlose Bücher