1064 - Horror-Line
man nur den Kopf schütteln kann. Schlimme Dinge, aber das hier ist selbst für mich neu. Oder würden Sie es schaffen, sich einen Telefonhörer in den Kopf zu rammen? Er ist schließlich kein Messer und auch keine Lanze.«
»Da haben Sie recht, Doc.«
»Dann schauen Sie sich mal um. Aber Sie werden nicht viel finden, meine Herren. Ist schon alles abgesucht worden.«
»Weshalb sind wir dann überhaupt hier?« fragte Suko.
Leichen-Reiser deutete zur Decke. »Der Befehl ist von ganz oben gekommen.«
Ich schaute noch einmal auf die Leiche. »Der Mann hat telefoniert, und es muß ihn während des Telefonats erwischt haben. Fragt sich nur, mit wem er gesprochen hat.«
»Das läßt sich zurückverfolgen.«
»Ist das schon geschehen?«
Der Doc nickte. »Ja. Er hat eine Hotline angerufen. Eine dieser Sexnummern.«
Ich mußte lachen. »Ach nein, und dabei ist er dann gestorben?«
»Sieht so aus.«
Suko hatte die Schublade einer kleinen Kommode geöffnet und auch etwas gefunden. Mit einem Zeitungsausschnitt zwischen den Fingern drehte er sich um. »Hier, John, wenn du mal Druck hast, kannst du dir die Nummern reihenweise aussuchen. Einfach Wahnsinn, was da in den Anzeigen versprochen wird.«
»Gib mal her, bitte.«
Ich nahm den Ausschnitt. Schon auf den ersten Blick hin war mir klar, was ich da in der Hand hielt.
Es boten Männer und Frauen über Hotlines ihre Dienste an. Safer Sex, bei dem nichts passieren konnte. Wenn ich mir die Masse der Anzeigen anschaute, mußte ich einfach davon ausgehen, daß Bedarf vorhanden war.
Suko beobachtete mich von der Seite her. Auch er sah, daß mehrere Anzeigen angestrichen waren.
Ted Riordan schien einen gewaltigen Bedarf gehabt zu haben. Aber es waren nur Anzeigen markiert, in denen Frauen ihre Dienste anboten.
Eine Markierung stach mir ins Auge, weil sie rot umrandet war. Ich deutete mit dem Zeigefinger hin und las halblaut vor. »Candy, der absolute Männertraum und mehr. Der neue Weg in die Zukunft…«
Ich hatte den letzten Satz nachdenklich ausklingen lassen. Da Suko seine Stirn in Falten gelegt hatte, mußte auch er über dieser Text gestolpert sein.
Leichen-Reiser kam näher. Er grinste dabei. »Na, was meint ihr dazu?«
Ich zuckte die Achseln. »Komischer Text.«
»Denke ich auch.« Leichen-Reiser nickte. »Wer heute im Geschäft bleiben will, mußt sich eben etwas einfallen lassen. Selbst eine Floskel wie ›der neue Weg in die Zukunft‹.«
»Fragt sich nur, was diese Candy damit zu tun hat«, meinte Suko. »Das paßt doch einfach nicht.«
Leichen-Reiser deutete auf ein Telefon. »Um das herauszufinden, brauchen Sie nur Candys Nummer zu wählen.«
Ich fragte Suko. »Wer macht es?«
»Du.«
»Warum?«
»Weil du Junggeselle bist. Ich bin schließlich fast so gut wie verheiratet.«
»Ha, ha«, sagte ich nur und nahm mein Handy. Die Nummer war schnell gewählt. Ich wartete darauf, daß Candy abhob, aber sie tat mir den Gefallen nicht. Dafür hörte ich eine honigsüße Stimme, die vom Band klang und mir erklärte, daß Candy momentan nicht zu erreichen wäre und ich es später noch einmal versuchen sollte.
»War wohl nichts mit der neuen Zukunft«, meinte der Arzt.
Da hatte er recht. Ich steckte den flachen Apparat wieder ein und deutete auf den Toten. »Der hat seine neue Zukunft bereits hinter sich. Ich frage mich nur, wie es zu einem derartigen Ende kommen konnte. Der halbe Kopf ist zerstört, wie verbrannt. Der Hörer, der sich beinahe in den Kopf hineingegraben hat. Das ist nicht zu erklären.«
»Es hat ihm beim Telefonieren erwischt«, kommentierte der Arzt. »Was immer das auch bedeuten mag.«
»Der neue Weg in die Zukunft, der geradewegs in den Tod führt«, sagte Suko. »Man könnte meinen, daß der Hörer geschmolzen ist. Von einer anderen und unbarmherzigen Kraft.« Er zuckte mit den Schultern. »Wie immer ihr das auch seht, ich bekomme es nicht in die Reihe.«
»Aber Candy«, sagte ich.
»Was meinst du damit?«
»Daß wir ihr einen Besuch abstatten werden. Candy ist eine Person, die es tatsächlich gibt. Wenn ich ehrlich sein soll, habe ich mich schon immer dort umschauen wollen, wo die heißesten Tussis sitzen und die Anrufer scharf machen. Das wird bestimmt eine Überraschung werden.« Ich lachte.
»Von wegen Ambiente oder ein Dessous-Outfit. Die hocken da in alten Jeans und Shirts.«
»Du mußt es ja wissen«, sagte Suko.
»Klar, ich bin bei denen Stammgast. Ich treffe mich nicht nur akustisch mit ihnen.«
»Na dann viel Spaß«,
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