1072 - ...dann bete in der Hölle, Sinclair!
trotzdem zu den Verlierern.« Für zwei Sekunden schaute er mich an. Wahrscheinlich suchte er Angst in meinen Augen, die allerdings konnte er nicht entdecken.
»Wir gehen«, sagte er…
***
Sonja hatte es nicht mehr aushalten können. Sie wollte nicht allein bleiben. Sie war zu Suko getreten und klemmte sich an ihm fest. Suko spürte, wie sie zitterte und ihre Zähne aufeinander schlugen. Das alles, obwohl noch nichts passiert war. Es lag einzig und allein an der Atmosphäre, die beide Menschen wie ein dichtes Gespinst umgab.
»Fühlst du es, Suko? Spürst du es…?«
»Was meinst du?«
»Es ist alles so anders hier. Das ist kein normaler Raum, denke ich. Die Kälte, der Geruch, die Schatten… sie … sie sind auch anders als normal. Sie … ich weiß selbst nicht, aber ich habe das Gefühl, sie körperlich spüren zu können. Wie leichte Vorhänge, die mich umwehen. Das ist so anders. Wie die Schatten der Toten. Ihre Geister. All diejenigen, die hier in der Nähe verbrannt worden sind, und dieser schlimme Geruch paßt auch dazu.«
»Ich kann dich verstehen«, gab Suko leise zurück. »Aber im Moment sind wir sicher.«
»Wie kannst du das so behaupten?«
»Weil wir allein sind.«
»Es ist dunkel, Suko. Hier können sich welche versteckt haben. Das ist doch möglich.«
»Nein, ich glaube es nicht. Bitte, Sonja, versuche wenigstens, dich von deiner Angst zu befreien. Auch ich weiß, daß dieses verdammte Krematorium in der Nähe liegt. Aber ich verspreche dir, daß ich dich hier rausbringe. Wir müssen nur den richtigen Weg finden. Kannst du versuchen, darauf zu vertrauen?«
»Ich will es versuchen.«
»Das ist gut.«
Der Griff lockerte sich. Suko streifte die Hand ganz ab, um sich wieder bewegen zu können. Die Maschinenpistole hatte er über seine Schulter gehängt. Sie war im Moment unwichtig. Er brauchte jetzt Licht, um sich orientieren zu können.
So schmal die Leuchte auch war, sie brachte genügend Helligkeit, um einen Teil dieser fettig wirkenden Schatten vertreiben zu können. Sonja stand dicht neben Suko und schaute dem Strahl nach, der eine helle Schneise in die Dunkelheit hineinschnitt. Sein Kegel fand sich auf einer Wand wieder, wo er einen Vollmond abmalte. Suko schwenkte ihn, und der bleiche Kreis wanderte analog zu seiner Bewegung mit. Er suchte nach einem Ausgang, nach einerweiteren Tür, aber er entdeckte keine Zweite.
Umschlossen waren sie von dickem Mauerwerk aus feuerfesten Steinen.
Suko ging davon aus, daß die Wand des Krematoriums der Tür gegenüber lag.
Der Boden war glatt. Hier lag Stein an Stein. Es gab keine Fugen, keine Ritzen. Alles war perfekt gelegt worden.
»Es gibt keinen Weg mehr, Suko. Es gibt nur den einen, und den will ich nicht mehr zurück.«
»So schnell geben wir nicht auf.«
»Wonach suchst du denn noch?«
Die Antwort gab Suko ihr durch seine Bewegung. Er leuchtete jetzt über die glatte Decke hinweg, und wieder wanderte der helle Mond in einer Zickzackbewegung von rechts nach links, so daß praktisch jeder Teil der Decke ausgeleuchtet wurde.
Auch sie war glatt. Da gab es nichts, was auf eine Fluchtmöglichkeit hingedeutet hätte.
Sonja weinte wieder und sprach zugleich. »Ich habe es gewußt, Suko. Die andere Seite hat die Falle perfekt gestellt. Wir kommen hier nicht mehr weg…«
Suko enthielt sich eines Kommentars. Er wollte Sonja nicht enttäuschen und ihr auch keine Hoffnungen machen. Seine Suche aber war noch nicht abgeschlossen.
Bisher hatte er nur die Wände und die Decke abgeleuchtet. Es fehlte noch der Fußboden, und über den wanderte der Lichtkegel jetzt hinweg.
Er hinterließ eine Spur auf dem kratzigen und nicht sehr ebenen Beton und er erreichte ein Ziel.
Plötzlich blieb der Kreis stehen. Direkt auf der Mitte einer Einstiegsluke oder einer Klappe malte er sich ab. Das Metall schimmerte dunkel. An der Oberfläche war es genoppt, und von einem Ende ragte ein Griff in die Höhe.
Auch Sonja hatte die Luke gesehen. »Da… da … ist ja was«, flüsterte sie.
Suko lachte leise. »Ich habe dir gesagt, daß man nie aufgeben soll. Die Luke wird schon ihre Berechtigung haben.«
Das Mädchen erschrak, als es sah, wie Suko auf die Klappe zuging und dabei dem hellen Kreis der Lampe folgte. Sie wollte ihn davon abhalten, die Luke anzuheben, brachte jedoch kein Wort hervor.
Suko kniete auf einem Bein neben ihr. Die Lampe hatte er in die linke Hand gewechselt. Seine Rechte umklammerte bereits den Griff. Den Kopf hatte er angehoben, um Sonja
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