1077 - Die Voodoo-Frau
Ich breitete die Arme aus. »Auch das gibt es. Die Überraschungen hören im Leben eben nicht auf. So, und jetzt nehme ich mir meinen Kaffee.«
Glenda ließ mich gewähren. Sie fragte nichts mehr und war gedanklich mit dem beschäftigt, was ich ihr gesagt hatte, denn durch unser Treffen mit Assunga waren die Vorzeichen einfach auf den Kopf gestellt worden. So etwas hätte ich vor einem Tag noch für unmöglich gehalten.
Ich hatte das Büro leise betreten, denn ich wollte Suko nicht beim Telefonieren stören. So setzte ich mich an meinen Platz, trank Kaffee und schaute ihn über den Rand der Tasse hinweg an.
Suko war in seinem Element. Nicht weil er telefonierte, es ging darum, mit wem er es tat. Ich verstand kein Wort von dem, was er sagte, denn er sprach Chinesisch. Bestimmt hatte er wieder einen seiner zahlreichen Vettern angerufen, die hier in London lebten. Es gab zwar keine direkten verwandtschaftlichen Verbindungen zwischen ihnen, aber die Chinesen hielten zusammen und halfen sich, wo sie konnten. Hervorragend waren auch ihre Verbindungen in alle Richtungen. Sie sahen vieles, sie registrierten es - und sie handelten dann, wenn es nötig war. Aber nie unbedingt offen.
Vieles lief im Hintergrund ab, denn das Schweigen innerhalb der Gruppe war wichtig. Als weißer Brite hatte man kaum eine Chance, in diesen Kreis hineinzugelangen. Bei Suko war das etwas anderes. Man hatte seinen Job auch akzeptiert und versorgte ihn hin und wieder mit Informationen, wenn es denn nötig war. So konnte es durchaus sein, daß der eine oder andere von Sukos Vettern etwas über die Killer-Fighter wußte.
Mir blieb nichts anders übrig, als abzuwarten und darauf zu hoffen, daß Suko Neuigkeiten erfuhr, die uns weiterbrachten. Assunga hatte mir wirklich einen ausgezeichneten Dienst erwiesen, denn dieser Glatzkopf war bisher unsere einzige Spur zur Voodoo-Frau.
Es gab diese Person, wobei ich mich fragte, ob man sie überhaupt als Person ansehen konnte oder einfach nur als Wesen. Es war unklar, wo sie existierte, doch sie würde einfach nicht nur in ihrer Existenz aufgehen, sondern sich daraus hervor etwas aufbauen und alles daransetzen, um so rasch wie möglich an das Ziel ihrer Pläne zu gelangen.
Ich beobachtete meinen Freund, weil ich herausfinden wollte, ob ich seinem Mienenspiel etwas über einen Erfolg oder Mißerfolg entnehmen konnte. Leider war das nicht der Fall. Er redete normal, in seinem Gesicht malten sich keine Gefühle ab, aber ich fand heraus, daß er mit einem gewissen Jerry Kon telefonierte.
Kannte ich den Namen? So ganz unbekannt war er mir nicht. Es konnte sein, daß ihn Suko irgendwann einmal im Gespräch erwähnt hatte, als wir über gewisse Machtverteilungen innerhalb der Chinesenriege gesprochen hatten. Es war durchaus möglich, daß Jerry Kon Geschäften nachging, die wir als Polizeibeamte nicht akzeptieren konnten. Auf der anderen Seite gab es hin und wieder Situationen, wo der Teufel mit Beelzebub ausgetrieben werden mußte. Zumeist liefen die Geschäfte und Aktivitäten gewisser Kreise in Richtungen, die uns beruflich nicht tangierten und Sache der Kollegen waren.
Ich wußte nicht, wie lange Suko telefoniert hatte. Mein Tasse war jedenfalls längst leer und ich hatte mir schon die zweite geholt und sie auch fast ausgetrunken, als er endlich den Hörer auflegte, noch stumm auf seinem Platz sitzenblieb und für einen Moment nachdenklich auf den Apparat schaute.
»Ist es eine schwere Geburt gewesen?« fragte ich ihn.
Er schaute mich an. »Und wie.«
»Warum?«
»Gute Frage, John. Ich muß dir sagen, daß es gewisse Dinge offiziell gar nicht gibt.«
»Du meinst die Fights?«
»Natürlich. Aber es gibt sie, das wissen wir, und es war verdammt schwer für mich, da eine Spur aufzunehmen.«
»Kann ich mir denken. Hast du es denn geschafft?«
»Es sieht so aus.«
»Sehr gut. Was müssen wir tun?«
»Wie ich von meinem Informanten erfahren habe…«
»Hieß er Jerry Kon?« fragte ich dazwischen.
»Du hast gut zugehört, John. Wie ich also von ihm erfahren habe, finden fast jeden Tag die Kämpfe statt. Ich weiß nicht, ob und inwieweit meine Landsleute aktiv daran beteiligt sind, kann mir aber vorstellen, daß sie mitmischen. Allein schon wegen ihrer asiatischen Kampftechniken. Jedenfalls habe ich einen Tip bekommen, wo diese Kämpfe stattfinden.«
»Mit oder ohne Mr. Jobb?«
»Ich denke mit ihm. Er ist bekannt. Er soll einer der größten sein. Angeblich hat er noch nie einen Fight verloren.
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