1084 - Stätte der Verdammnis
malten sich in den Augen ab. Sie füllten sie ganz aus, es gab nichts mehr, was noch an ein menschliches Sehorgan erinnerte. Jetzt hatte das Erbe des Landes Aibon die Kontrolle über Tricia bekommen, und sie war dabei, mir einen Teil dieses Erbes abzugeben.
Sie wußte auch, was sie tat, denn ich hörte sie leise sprechen. »Bald bist du einer von uns…«
***
Auch weiterhin ging Suko wie fremdbestimmt. Das Haus war für ihn plötzlich gleichgültig geworden. Ihn lockte das Flötenspiel, das ihm weich und melodisch entgegenfloß. Es war eine Melodie, die Menschen nicht gestört hätte, bei Suko verhielt es eich anders.
Jeder Ton schmerzte in seinen Ohren. Er sägte durch seinen Kopf. Er wollte ihn foltern. Er wollte ihn locken. Er sollte in eine andere Sphäre gelangen, die im krassen Gegensatz zu seiner Verwandlung stand.
Er wußte genau, wo er hingehen mußte. Am Haus vorbei, den schmalen Anbau passieren. Dann in den Wald hinein, aus dem das Flötenspiel drang.
Suko sah alles mit seinen neuen Augen. Nach wie vor hatte sich die Dunkelheit aufgehellt. Sie war zu einer grauen Masse geworden, in die hinein sich die Hindernisse geschoben hatten wie eine künstlich aufgebaute Kulisse.
Er war nicht blind. Er konnte im Dunkeln sehen, und das Licht des veränderten Mondes war für ihn die eigentliche Antriebskraft. Sie sorgte für sein Weiterkommen. Er wollte das Ziel erreichen und diese schrecklichen Töne verstummen lassen.
Suko war darauf eingestellt, Gewalt einzusetzen. Diese Folter war kaum zu ertragen. Er dachte nicht mehr an das Mondschein-Monster, für ihn war es wichtig, die Quelle zu zerstören.
Sein Weg führte ihn so dicht an der Mauer des Anbaus entlang, daß er mit der rechten Schulter darüber hinwegstreifte. Vorbei an den Fenstern, deren Scheiben allesamt dunkel waren. Er erreichte das Ende. Der Weg wurde wieder weicher. Seine Füße durchwühlten das Laub und schleuderten einige Blätter in die Höhe. Er achtete nicht darauf. Unterholz griff nach seinen Hosenbeinen. Er zertrat einige Büchsen, die jemand achtlos weggeschleudert hatte, doch das alles hielt ihn nicht davon ab, seinen Weg zu gehen.
Das Spiel lockte ihn.
Die Baumstämme konnten es nicht aufhalten. Das seltsame Licht verstärkte die Schwingungen noch, und Suko änderte die Richtung. Er bewegte sich jetzt leicht nach links, weil er um keinen Meter sein eigentliches Ziel verfehlen wollte.
Der Wald war hier nicht so dicht. Es gab größere Lücken zwischen den Stämmen. Das Astwerk breitete sich auch zu den Seiten hin aus, so daß Suko sich einige Male ducken mußte, um nicht getroffen zu werden.
Die Melodie blieb. Sie schwang ihm entgegen. Sie kratzte in seinen Ohren und in seinem Kopf. Sie blieb auch weiterhin als Folter bestehen, und Suko hörte sich selbst stöhnen. Er wußte sehr gut, daß jemand gegen ihn anspielte, ihn quälen wollte, aber er gab nicht auf.
Und er war allein. Das Mondschein-Monster ließ sich nicht blicken. Suko dachte auch nicht über die Gründe nach, er wußte, daß er nur wenige Schritte gehen mußte, um den Flötenspieler zu stellen.
Plötzlich sah er ihn.
Er löste sich aus dem Grau seiner Umgebung und sah selbst wie ein Schatten aus. Im hellen Licht hätte er sicherlich anders gewirkt. Hier aber erinnerte er an eine graue Maus, weil Suko ihn durch seine Augen eben so sah.
Der Mann hielt die Flöte mit beiden Händen fest und drückte das Mundstück leicht gegen die Lippen. Er ließ sich nicht stören, aber er blickte in Sukos Richtung.
Suko preßte die Lippen zusammen. Schmerzen zirkulierten durch seinen Kopf.
Der Mann spielte weiter.
Er achtete nicht auf Suko, der in töten wollte. Und Suko kam näher. Es störte ihn auch nicht, daß Zweige gegen seinen Kopf schlugen, das war jetzt alles egal. Er mußte weiter, er mußte…
Plötzlich blieb er stehen.
Vielleicht deshalb, weil sich der Flötenspieler mit einem Ruck auf die Zehenspitzen gestellt hatte und einen Moment später sein Instrument sinken ließ.
Das war es nicht allein, das Suko verwunderte, denn in der Tiefe seines Erinnerungsvermögens bewegte sich etwas und drang in sein Bewußtsein. So fremd der wie in Lumpen gekleidete Mann auch wirkte, er war für Suko dennoch eine bekannte Größe, mit der er sich auseinandersetzen mußte. Sein Haß war nicht gestorben, aber er überlegte, wie er es anstellen sollte.
Der andere kam auf ihn zu. »Kennst du mich, Suko?«
Mit der Frage konnte der Inspektor nicht viel anfangen. Er öffnete den Mund,
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