1089 - Horrorland
richtige Geschäftsmann. Immer lächelnd und auch immer aalglatt, wenn du verstehst. Denkt weniger an den Toten als an seinen Job und an das Image des Ladens.«
»So habe ich ihn auch eingeschätzt.«
»Du kannst nachher mit ihm sprechen. Jetzt mal zu dem Toten. Weißt du inzwischen, wie er heißt?«
»Nein, ich habe ihn noch nicht durchsucht. Sein Tod ist für mich mehr als rätselhaft.«
»Habe ich mir gedacht.«
»Obwohl die Kinder als Zeugen dabeigewesen sind, hat niemand gesehen, wie der Mann umkam. Er starb plötzlich. Er erzählte Geschichten, riß dann seinen Mund auf, kippte so zur Seite wie wir ihn jetzt sehen, und anschließend strömte das Blut hervor, das in den weißen Bart sickerte.«
»Ein Mord unter Zeugen, aber ohne Zeugen.« Tanner hatte seine Stimme gesenkt. »Ich hoffe, du findest eine Erklärung, denn das hier riecht ja nach einem Fall für dich.«
»Stimmt.« In den nächsten Minuten bekam Tanner von mir zu hören, was ich innerhalb des Buchs entdeckt hatte. Ich berichtete ihm auch, was dieser Weihnachtsmann den Kindern erzählt hatte. Keine netten Geschichten, sondern welche über ein geheimnisvolles Horrorland. Tanner schaute sich auch die Zeichnungen an, ließ alles etwas einwirken und fragte mich dann: »Glaubst du daran?«
»Ja.«
»Auch an dieses Land?«
Ich nickte.
»Bei deiner Erfahrung, John, hast du eine Ahnung davon, wo es liegen könnte?«
Ich zuckte die Achseln. »Das ist nicht einfach zu erklären, Tanner. Ich gehe mal davon aus, daß dieses Land nicht der Phantasie des Zeichners entsprungen ist. Das Land gibt es. Irgendwo…«
»Im Nirgendwo, wie?«
»In einer anderen Dimension.«
Tanner schaute zu Boden und runzelte die Stirn. »Wir kennen uns schon lange, John. Ich nehme hin, daß du Dinge erlebst, über die ich noch immer den Kopf schütteln kann. Ich will es auch nicht genau wissen, das ist nicht meine Welt. Aber ich bleibe bei Welt. Du hast mal von einer Welt gesprochen, die den Namen Ailin… oder …«
»Aibon, meinst du.«
»Genau.«
»Das Land der Druiden oder deren Paradies. Das zweigeteilte Land.« Ich nickte. »Du hast recht, Tanner, das ist mir ebenfalls in den Sinn gekommen, wobei ich mich dann nur noch frage, was dieser Weihnachtsmann mit Aibon zu tun hat.«
»Das herauszufinden, ist nicht mein Job, John.«
Da lag er genau richtig. Tanner war Praktiker, der sich an Fakten zu halten hatte. Das mußte ich zwar auch, aber ich konnte zu diesem Fakt hin andere Verbindungen ziehen. Ich ging Wege, die meinen Kollegen zwar nicht verschlossen waren, jedoch von ihnen nicht akzeptiert wurden oder nur mühsam, wobei Tanner eine der rühmlichen Ausnahmen bildete. Durch meine Art der Ermittlung hatte ich auch mehr Spielraum bekommen. Tanner ließ mich stehen und ging auf den Arzt zu, der den Toten untersuchte. Die junge Polizeifotografin ging an mir vorbei und lächelte mir zu.
»Sie sind neu in der Mannschaft?« fragte ich.
»Ja, Mr. Sinclair. Mein Name ist Kate Foss.« Sie reichte mir die Hand, die ich leicht drückte.
»Ich denke, daß wir uns in Zukunft wohl noch öfter sehen werden.«
»Das glaube ich auch.«
Da ich die Arbeit der Kollegen nicht stören wollte und Kate Foss ihre Kamera einpackte, drehte ich mich um und schaute zu Glenda Perkins. Sie war nicht mehr allein. Es hatte sich herumgesprochen, daß hier etwas nahe der Kinderinsel geschehen war, und so waren auch zahlreiche Eltern gekommen, die sich bei ihren Kindern und auch bei Glenda versammelt hatten.
Eine recht lautstarke Unterhaltung hatte sich ergeben. Glenda bestand darauf, daß die Kinder noch blieben, weil sie verhört werden mußten. Darum wollten sich Tanners Assistenten kümmern, die von dem Chief-Inspector dorthin beordert wurden.
Er selbst ging ebenfalls an mir vorbei. An der offenen Tür blieb er stehen und rief den Namen des Geschäftsführers. »Mr. Wellman, ich hätte Sie gern gesprochen.«
Der Gelackte drehte sich um. Das Lächeln verschwand aus seinem Gesicht, als er uns entgegenkam. Dann präsentierte er uns eine blasierte Mimik, denn Tanner hatte mich ebenfalls herbei gewunken.
»Das ist Mr. Wellman«, erklärte er. Dann stellte er mich vor. Wieder mußte ich eine Hand schütteln und hörte den Namen Sandro Wellman. So stellte sich der Mann knapp vor, aber er verlor sein Lächeln.
»Worum es uns geht«, sagte Tanner, »ist dieser Weihnachtsmann, der jetzt leider tot ist.«
»Ja, ich bedauere das auch und…«
»Moment, Mr. Wellman. Ich kann mir vorstellen, daß
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