1089 - Horrorland
Blutresten zusammen. Diesmal beugte ich mich nicht so tief nach unten. Es war schon besser, Vorsichtsmaßnahmen zu ergreifen.
Innerhalb der Wunde zuckte und pulsierte es. Da war ein gewisses Leben zu sehen. Obwohl es nicht sein konnte, überkam mich der Eindruck, das Herz im Körper schlagen zu sehen, was bei einem Toten natürlich Unsinn war.
Tanner war trotz meiner Warnung so dicht an mich herangetreten, daß er ebenfalls einen Blick auf den Rücken und auf die Wunde werfen konnte. Er schüttelte den Kopf und flüsterte dabei: »Das verstehe ich nicht…«
Wir verstanden es wenig später, als sich innerhalb des Körpers die Bewegung vermehrte und sich etwas von innen her nach außen vorschob. Etwas Klumpiges, mit Blut und Flüssigkeit verklebt. Dabei wiederum zuckend und sich bewegend.
Das mußte ein Klumpen oder Kloß sein, der lebte und sich immer weiter nach vorne schob. Wir taten zunächst nichts, weil wir erst den Erfolg sehen wollten.
Für uns war klar, daß in diesem Körper etwas Fremdes steckte, das nicht mehr in ihm sein wollte und jetzt nach vorn drängte, um den Gastkörper zu verlassen.
Es wühlte sich weiter. Es hatte nach wie vor noch eine runde Form. Ob das so blieb, war fraglich, deshalb war es für uns auch wichtig, daß dieses fremde Teil es schaffte, sich ins Freie zu drücken.
Wir warteten ab. Ebenso wie die anderen, die nichts taten und natürlich aufmerksam geworden waren.
Das Ding hatte bei seinen Bemühungen mehr Kraft eingesetzt. Es war gut zu sehen, denn der Körper bewegte sich jetzt ebenfalls mit.
Er zitterte auf eine bestimmte Art und Weise. Es war schon mehr ein Rucken auf dem Stuhl, und einen Moment später sahen wir, wie sich die »Kugel« durch die Wunde nach außen drückte.
Das war keine glatte Kugel. Etwas sehr Nasses und Haariges. Es klebte zusammen, und ich glaubte sogar, in diesem Gebilde zwei Augen erkennen zu können.
Und noch etwas…
Es stand spitz vor. Unter den Augen ragte es nach außen wie ein gekrümmtes Messer.
Ein Schnabel?
Plötzlich kamen mir die Worte des Jungen wieder in den Sinn.
Tommy hatte von Vögeln berichtet, über die der Weihnachtsmann erzählt hatte. Vögel in einem Horrorland.
War das ein Vogel?
Mit einer letzten Bewegung kam er frei. Dabei verursachte er ein schmatzendes Geräusch. Er rutschte ab und fiel durch die Lücke zwischen Lehne und Sitz zu Boden.
Weich landete das Ding auf der Erde.
»Das ist doch unmöglich!« hauchte Tanner, doch ich hörte gar nicht hin und beobachtete nur das fremde Wesen. Meiner Ansicht nach gehörte es nicht in diese Welt hinein. Es war einfach nur ein widerliches Etwas, das fremdgesteuert war.
Der pelzige und verschmierte Ball hüpfte weiter. Erst jetzt fiel mir auf, daß er kleine Füße besaß, die seinen Körper hielten. Er tanzte praktisch auf ihnen hin und her, verlor seine Steifheit, hüpfte plötzlich mit einem recht langen Sprung nach vorn und tat das, was uns alle wunderte.
Das Ding breitete seine Flügel aus. Von der Größe her konnte man es mit einer Krähe vergleichen. Allerdings war es kompakter und mehr ovaler. Auch nicht so glatt, sondern aufgeplustert. Die Schwingen fielen zu den Außenseiten hin leicht ab, und sie schleiften dabei über den Boden hinweg.
Ich bekam große Augen und sah dann, wie sich die Flügel zuckend bewegten.
Er flog.
Und jetzt sahen alle, was da aus dem Körper des Toten gekrochen war. Ein feuchter, blutverschmierter Vogel…
***
Aus weit geöffneten Augen schauten wir dem Wesen zu, das zwar wie ein Vogel aussah, aber für mich keiner war. Auch in der Luft hatte es seine kugelige Form behalten. Nur aufgrund des vorstechenden Schnabels konnten wir erkennen, was bei diesem Vogel vorn und hinten war. Aber auch die Augen gab es. Sie erinnerten an dunkle Perlen, die jemand in die Masse hineingedrückt hatte.
Böse und kalte Augen. Versehen mit einem dunklen Glanz, denn der Vogel hatte sich auf der Stelle hüpfend gedreht und sich seine Feinde ausgesucht, die er anstarrte.
Das waren Tanner und ich.
Selbst der Chief-Inspector war sprachlos geworden, und das hieß bei ihm einiges, wo er doch zu den Leuten gehörte, die für manches einen Kommentar hatten.
Der Vogel war nicht groß. Er bedeutete im Prinzip keine Gefahr.
Dem wollte ich nicht so direkt zustimmen. Ich dachte wieder an das Gespräch mit Tommy Steel und hatte meine Bedenken, die sich auch nach und nach bestätigten.
Mit dem Vogel passierte etwas, mit dem keiner von uns gerechnet hatte.
Er fing
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