109 - Via Diavolo - Straße des Bösen
hockte es auf dem Boden.
***
Nach dem Mittagessen verließ Carmine Rovere die Wohnung. Er begab sich in sein Stammlokal. Zeit hatte er genug. Schließlich hatte er Urlaub.
Er ärgerte sich über Kommissar Ciangottini. Zwei Menschen waren in der Via Diavolo verschwunden, doch der Kommissar weigerte sich hartnäckig zu akzeptieren, daß übernatürliche Kralte im Spiel waren.
Er steckt den Kopf in den Sand! dachte der junge Polizist grimmig. Diese Vogel-Strauß-Politik ist das Verkehrteste, was er tun kann. Man muß den Tatsachen ins Auge sehen. Aber ich verbrenne mir nicht den Mund. Ich werde kein Wort mehr zu diesem Thema sagen. Das ist jetzt Michele Ciangottinis Angelegenheit.
Während er seinen ersten Grappa trank, läutete bei ihm zu Hause das Telefon.
Leda hob ab. »Pronto!«
Am anderen Ende war Renata Gallone, Giulianos Freundin, ein kleines Luder, das selbst dann mit anderen Jungs kokettierte, wenn Giuliano dabei war.
Leda mochte Renata nicht besonders. Früher oder später würde sie Giuliano sitzenlassen, damit rechnete sie, aber ihr Bruder wollte das nicht wahrhaben.
Wenn Leda eine abfällige Bemerkung über Renata machte, wurde Giuliano immer fuchsteufelswild. Deshalb behielt sie für sich, was sie dachte.
Renata verlangte Giuliano.
»Ich hole ihn«, sagte Leda und legte den Hörer neben den Apparat. Dann streckte sie die Zunge heraus und verließ das Zimmer. Sie klopfte an Giulianos Tür, »Was ist?« fragte Giuliano ungehalten.
»Telefon!«
»Ich habe mich zu einem Verdauungsschläfchen hingelegt.«
»Ist gut. Ich sag’s ihr«, gab Leda zurück.
»Wem?« wollte Giuliano wissen.
»Renata Gallone.«
»Renata? Sie ist am Telefon? Warum sagst du das nicht gleich?« rief Giuliano und sprang aus dem Bett, ln Jeans und Unterhemd trat er aus seinem Zimmer. »Ich weiß, was du denkst!« sagte er, »Aber es ist mir egal. Du solltest dich beizeiten daran gewöhnen, daß ich mit Renata zusammen bin.«
Er eilte an Leda vorbei, denn er wollte Renata Gallone nicht warten lassen. Sie war ein sehr ungeduldiges Mädchen.
»Renata!« rief Giuliano erfreut aus. »Schön, daß du anrufst.«
»Wieso dauert das so lange, bis du dich meldest?«
Er lachte verlegen. »Ich habe mich nach dem Essen ein bißchen hingelegt.«
»Du wirst mit dreißig Jahren häßlich fett sein«, sagte Renata Gallone.
»Aber nein, keine Bange…«
Es war ihm unangenehm, daß Leda das Zimmer betrat. Er wollte nicht, daß sie hörte, was er sagte. Mit einem unwilligen Blick wollte er ihr zu verstehen geben, daß sie hinausgehen solle, doch Leda ignorierte diesen Blick.
»Ich dachte, wir könnten zusammen etwas unternehmen«, sagte Renata Gallone.
»Klar«, sagte Giuliano. »Sehr gern. Was schlägst du vor?«
»Darüber unterhalten wir uns später«, sagte Renata.
»In Ordnung. Wo treffen wir uns?«
»Wo wir uns immer treffen«, sagte Renata.
»In der Via Diavolo?« fragte Giuliano mit belegter Stimme. Renata wohnte dort gleich um die Ecke.
Sie lachte. »Du hast doch nicht etwa Angst.«
»Nein. Natürlich nicht.« Giuliano warf seiner Schwester einen verstohlenen Blick zu. Leda sah ihn ernst an. Er schlug die Augen nieder.
»Ich glaube nicht, was in der Zeitung steht«, sagte Renata.
»Hör mal, könnten wir uns heute nicht woanders treffen?« fragte Giuliano heiser.
»Doch Angst?«
»Aber nein«, wehrte Giuliano ab. »Es ist nur… Ich habe Carmine versprochen, nicht dorthin zu gehen.«
»Tust du immer, was dein älterer Bruder von dir verlangt?« fragte Renata.
Giuliano spürte Röte in seinen Wangen.
»Wie alt bist du eigentlich?« fragte Renata. »Wie lange läßt du dir noch von Carmine Vorschriften machen?«
»Er meint es doch nur gut.«
»Also kommst du nun in die Via Diavolo, oder soll ich Roberto anrufen?« fragte Renata Gallone.
Giuliano gab es einen Stich. Roberto war sein gefährlichster Rivale. Er tat alles, was Renata von ihm verlangte.
»Ich komme«, sagte Giuliano und legte auf.
»Du hast versprochen, nicht in die Via Diavolo zu gehen«, sagte Leda.
»Würdest du dich gefälligst um deinen eigenen Kram kümmern?« schnauzte Giuliano sie an. »Es ist unhöflich zuzuhören, wenn jemand telefoniert!«
»Dann telefoniere doch nächstens von einer Telefonzelle aus mit ihr!« gab Leda zornig zurück.
Giuliano stürmte aus der Wohnung.
»Waschlappen!« rief ihm Leda nach, aber er hörte es nicht mehr.
Auf dem Flur zog er sein Hemd an, und dann hatte er es sehr eilig, das Haus zu verlassen, denn
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