1093 - Blutkult um Angela
gekommen. Deshalb fragte ich Tiziana: »Gibt es hier noch einen anderen Eingang?«
»Keine Ahnung«, flüsterte sie mir zu. Nach wie vor traf sie keine Anstalten, ihre Haltung zu verändern. Sie schien sich in meinen Armen wohl zu fühlen.
Ich schaute über sie hinweg zu den Mitgliedern der People of Sin. Einer hatte sich von der Gruppe gelöst, die auch nicht mehr so genau zu sehen war, denn jedes Mitglied hatte sich unter die normalen Gäste gemischt und benahm sich wie sie auch.
Einer nur steuerte die Theke an. Er ging sehr schwerfällig, aber zugleich auch zielstrebig. Er hielt seinen Blick auf Tiziana und mich gerichtet. Im mondartigen Streulicht zeichnete sich seine Gestalt schon recht gut ab. Er trug die Haare sehr lang und hatte sie zu Zöpfen geflochten. In sie hinein waren kleine helle Holzstücke gebunden, so dachte ich. Erst beim Näherkommen erkannte ich, um was es sich dabei wirklich handelte.
Es waren Knochen!
Ich ließ ihn kommen und drückte Tiziana wieder hoch, die keinen Blick von seinem Gesicht wenden konnte. Wie alle hier war auch dieses Gesicht recht bleich, aber es wirkte auf eine gewisse Art und Weise auch faszinierend. Der breite Mund, die hochstehenden Wangenknochen und auch die kalten Augen.
Wenn er tatsächlich zu den Blutsaugern zählte, dann würde ich von ihm keine Atemgeräusche hören, und darauf wartete ich.
Er trat auf die letzte Stufe, dann noch einen Schritt vor und war bei uns.
Er blieb stehen.
Tiziana stand wieder an der Theke. Ich hörte sie heftig atmen, nicht den anderen, der nur Augen für mich hatte. Bisher waren wir noch nicht aneinandergeraten. Trotzdem blickte er mich starr an. Wie jemand, der soeben seinen Feind entdeckt hatte.
»Ist Angela schon da?« fragte ich ihn möglichst harmlos.
»Nein.«
»Woher weißt du das?«
»Sie wird gleich kommen.«
»Allein?«
»Ja.«
»Und wer bist du?«
»Ich bin Holger!«
Meine Stirn legte sich in Falten. »Holger?« wiederholte ich. »Das ist ein deutscher Name.«
»Wir sind alle Deutsche.«
Ich übersprang einen Gedanken und dachte daran, was Shao ihrem Partner mitgeteilt hatte. Da war von Harry Stahl die Rede gewesen, aber auch von Angela. Harry war Deutscher. Man konnte ihn und Dagmar gewissermaßen als unsere Filiale auf dem Festland bezeichnen. Diese Gruppe hier kam trotz ihres englischen Namens aus Deutschland.
Zufall?
Daran wollte ich nicht glauben. Ich mußte diesen Holger auf die Probe stellen. Leider störte Tiziana mich, denn sie schmachtete ihn an und wollte wissen, ob er ein echter Vampir war.
»Was glaubst du denn?«
»Du bist es!«
»Dann gib mir den Biß!« keuchte sie.
Sie war verrückt, halb durchgedreht, von einem regelrechten Vampirwahn befallen. Wer ihr den eingeimpft hatte, wußte ich nicht. Jedenfalls war Holger für sie sehr wichtig. Bevor ich es verhindern konnte, bewegte sie sich schon nach vorn. Sie wollte ihm in die Arme fallen und sich einfangen lassen.
Holger fing sie auf.
Plötzlich veränderte er sich. Die steife Haltung verschwand. Wahrscheinlich deshalb, weil er den von frischem Blut durchkreisten Körper in seinen Armen spürte. Die menschliche Wärme, die die Sucht nach dem Blut noch vergrößerte. Sein Kopf zuckte von einer Seite zur anderen, und er öffnete den Mund.
Ich hatte bewußt nicht eingegriffen. Er würde mir den Beweis geben, und ich hatte mich nicht geirrt.
Mit beiden Händen drückte er die rothaarige Tiziana so weit zurück, bis sie mit dem Rücken gegen die Theke stieß. Die rechte Hand hielt er gegen ihre Brüste gepreßt, die linke hatte er in das lange rote Haar hineingedreht und schaffte es so, ihren Kopf nach hinten zu drücken. Er legte sie über die Theke, mich hatte er vergessen. Er öffnete seinen Mund, als er sich nach vorn und damit auch über den Hals der Frau beugte.
Ich sah ihn im Profil. Beide Augenzähne bildeten eine Spitze. Sie wuchsen nicht sehr lang hervor und wirkten noch ein wenig plump oder so, als müßten sie noch wachsen.
Ich hatte bisher nur künstliche Vampirzähne in dieser ungewöhnlichen Disco gesehen.
Holgers Vampirzähne waren echt!
»Ja, bitte, bitte, beiß zu…« Tiziana flehte darum. Sie war völlig wehrlos. Die Arme hingen zu beiden Seiten des Körpers nach unten, denn sie hatte sich schon jetzt ergeben.
Der Kopf des Musikers ruckte nach vorn. Die Zähne zielten auf den Hals. Ich hörte einen Knurrlaut, sah die Berührung der beiden Spitzen und griff zu…
***
Nicht nur Holger hatte die Haare seines Opfers
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