1093 - Blutkult um Angela
dich. Sind es alte Friedhöfe, Grüften, Gräber oder Schlösser? Sag es mir doch!«
»Es gibt sie an verschiedenen Stellen.«
»Auch hier in London? Oder müssen wir alle erst auf Angela warten?«
»Es ist besser, wenn du darauf wartest.«
Tiziana wollte nicht. Sie blieb weiterhin aufgeregt und hektisch. Sie umfaßte das Glas mit beiden Händen, führte es an die Lippen und trank es mit wenigen Schlücken leer. Der Inhalt rann wie zähes Blut in ihren Mund hinein.
Im Moment war sie beschäftigt. Ich hatte mich in der letzten Zeit sehr stark auf sie konzentriert und deshalb die Umgebung etwas außer acht gelassen. Jetzt kümmerte ich mich um sie und sah die Veränderung innerhalb des künstlichen Friedhofs.
Es hatten sich neue Gäste zu den alten gesellt, doch diese fielen auf. Sie wirkten noch mehr uniformiert als die anderen, und ihre Bewegungen machten mich mißtrauisch. Sie schlichen zwischen den Gräbern umher, sie schauten sich immer wieder um, als wären sie dabei, etwas zu suchen. Zwar hatten sie wohl versucht, sich den anderen Gästen anzugleichen, doch das hatten sie nicht so gut geschafft. Sie gingen anders. Noch schleichender und mißtrauischer. Auch nicht so flüssig. Zwischendurch blieben sie immer wieder stehen, um sich an bestimmten Gegenständen abzustützen. Das konnte ein Grab sein oder ein künstliches Gewächs. Jedenfalls brauchten sie immer eine kürze Pause.
Ein sehr übles Gefühl kroch in mir hoch. Auf meinem Rücken kribbelte es ebenfalls, und meine Hand fuhr dorthin, wo das Kreuz vor der Brust hing.
Ich tastete die Umrisse durch den Hemdenstoff hinweg ab und war auch darauf gefaßt, einen Wärmeschub zu spüren, doch der blieb aus.
Es hatte nichts zu sagen, denn die Neuen hielten sich noch von der Theke entfernt auf. Sie wurden von den übrigen Gästen begrüßt. Im schalen Licht sahen die Gestalten aus, als wären sie aus irgendwelchen Gräbern gekommen, um die Neuen zu umarmen. Sie streichelten sie, sie drängten sich an sie, und es wirkte auf mich wie eine makabre und unheimliche Performance, die hier ablief.
Ich drehte mich zu Tiziana um. Sie beobachtete mich nicht und schaute dorthin, wo ich zuvor auch hingesehen hatte.
»Wer sind die Leute?« fragte ich.
»Die People of Sin…«
»Die Band?«
»Ja.«
»Dann müßte Angela auch bald erscheinen?«
»Das denke ich.«
»Wo werden sie spielen?«
Tiziana sagte nichts. Unverwandt starrte sie nur in eine Richtung, um die Mitglieder der People of Sin beobachten zu können. Ihr geschlitztes Kleid hatte sich an vier Seiten geöffnet. Es umhing sie wie eine Glocke und ließ viel von ihren Beinen sehen. Mit den Handflächen fuhr sie über die Oberschenkel hinweg. Auch ein Beweis, wie nervös sie plötzlich geworden war. Sie lächelte, und das Lächeln wirkte wie festgekleistert.
Ich sprach sie noch einmal an.
Sie hatte mich gehört, aber sie schüttelte den Kopf. »Ich… ich… muß zu ihnen.«
»Das ist nicht gut.«
»Doch, die anderen sind auch da. Sieh doch. Sie sind ganz anders. Ich merke es. O ja! O nein!« Sie starrte mich an und preßte für einen Moment die Augen zusammen, so daß sie aussahen wie schwarze, in das Gesicht gezeichnete Schlitze. »Ich spüre es, John. Sie sind echt. Endlich echte Vampire.«
Tiziana war nicht mehr zu halten. Sie rutschte vom Hocker nach unten, der Rock faltete sich wieder zusammen, und sehr schnell setzte sie den rechten Fuß vor, um die oberste Stufe der kleinen Treppe zu erreichen.
Diesmal war ich schneller. Bisher hatte sie mich angefaßt, nun griff ich zu und zog sie so hart zurück, daß sie plötzlich auf einem Bein stand und nach hinten kippte.
Ich fing sie auf. »Es ist besser, wenn du bei mir bleibst.«
Tiziana drehte sich in meinem Griff. Wir schauten uns in die Augen. Die Lippen hielt sie offen, und der schwärmerische Ausdruck in ihrem Blick war nicht zu übersehen. »Ich spüre es!« flüsterte sie mir entgegen. »Ich spüre es genau. Er ist es.«
»Was ist er?«
»Der echte Vampir.«
»Wenn du das meinst, werden wir das feststellen können.«
»Und die anderen fünf sind es auch.«
Den letzten Satz hatte ich ebenfalls mitbekommen und konnte beim besten Willen nicht behaupten, daß er mir gefallen hätte. Insgesamt sechs Blutsauger, die sich hier in den Bunker eingeschlichen hatten, das war verdammt schlimm. Auch fragte ich mich, wie sie es geschafft Hatten, ohne von Suko entdeckt zu werden. Sie hätten am Spiegel vorbeigemußt, wären sie auf dem normalen Weg
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