1096 - Baphomets Henker
jemand hektisch bewegt. Und das ist auch in deinem Sinne.«
Die Stimme war da, der Sprecher ebenfalls, aber ich hatte ihn noch nicht gesehen, weil er schräg hinter mir stand und den Arm mit dem Messer vorgestreckt hatte.
Bevor ich eine Antwort geben konnte, erreichte meine Nase ein widerlicher Geruch. Es war der Gestank von Blut. Er stieg mir von der Klinge her entgegen.
»Wer bist du?«
»Das könnte ich dich fragen«, antwortete ich.
»Soll ich dir die Kehle durchschneiden?«
»Nein.«
»Dann will ich eine vernünftige Antwort haben.«
»Scheiße. Schau nach draußen. Sieh dir das Wetter an. Ich wollte mich nicht naßregnen lassen. Da kam mir die Bude hier gerade recht. Woher sollte ich denn wissen, was hier los ist?«
»Dein Pech.«
»Wieso Pech? Das hatte ich mit den Bullen, die hinter mir her gewesen sind.«
»Du hattest Ärger mit ihnen?«
»Kann man wohl sagen.«
»Warum denn?«
Auch für diese Frage hatte ich mir bereits eine Antwort zurechtgelegt. »Da gab es eine Tankstelle, und die war nur schwach besetzt. Ich dachte mir, versuch mal, an den Inhalt der Kasse zu kommen.«
»Hat es geklappt?«
»Nein.«
»Du bist zu blöd, nicht?«
»Nein, da kam plötzlich ein Bulle auf einem Rad. Ich bin dann verschwunden.«
»Du hättest ihn umlegen können.«
»Ich kille keine Bullen.«
»Du hast eine Waffe?«
Jetzt wußte ich, daß mein Plan doch nicht so perfekt gewesen war. Klar, daß er sie haben wollte, und ich kam auch nicht darum herum, sie ihm zu geben. Als ich mich bewegte, fing ich einen Blick des gefesselten Mädchens auf. Er war so verzweifelt und hilfesuchend, daß er mir unter die Haut ging.
Was würde passieren, wenn Kurak die Beretta besaß? Dann konnte ich wählen, ob ich durch eine Kugel oder ein Messer starb.
»Ich warte nicht mehr lange.«
»Schon gut, aber das Messer…«
»Es bleibt. Beweg dich vorsichtig. Keine Dummheiten. Spiel nicht den Helden.«
»Nein«, flüsterte ich, »heute nicht mehr…«
Was sonst sehr schnell bei mir ablief, ging nun sehr langsam über die Bühne. Es tat mir in der Seele weh, die Beretta abgeben zu müssen, und ich hatte es auch nicht vor. Noch immer suchte ich nach einer Möglichkeit, dieser Falle zu entkommen. Außerdem wollte ich das Mädchen rausholen.
Mit spitzen Fingern zog ich die Pistole hervor. Kurak war näher an mich herangetreten, blieb aber an der Seite, so daß ich ihn nicht richtig sehen konnte.
Er bekam mein Zittern mit. Ja, ich zitterte, und ich zitterte bewußt. Mir war es dabei gleichgültig, daß sich auch die Klinge bewegte und über meinen Hals schabte, an dessen Haut sie kleine Schnittwunden hinterließ, aus denen Blut sickerte.
Das Zittern war wichtig.
Es sollte die Angst dokumentieren.
Wer Angst hat, macht Fehler.
Wie ich!
Ich hatte die Beretta hervorgeholt. Ich hielt sie auch zwischen meinen Fingern fest, aber das Zittern war so stark geworden, daß die Waffe mir aus der feuchten Hand rutschte und auf den Boden fiel.
Sie tickte einmal auf, bekam noch einen Drall und glitt ein Stück weiter, als wäre sie getreten worden.
Kurak fluchte in mein Ohr. Ich verstand die Worte nicht. Es war auch besser so.
Mein Zittern hatte kaum nachgelassen. »Sorry«, stotterte ich, »aber ich habe Angst. Eine verfluchte Angst.«
»Die mußt du auch haben. Aber sie wird bald vorbei sein. Als Toter hat man keine Angst mehr.«
»Ich hebe sie auf!«
Ein scharfes Lachen peitschte mir von der Seite her entgegen. Dann griff er mit einer Hand zu, packte meine Schulter und wuchtete mich zur Seite. »Ich hebe sie auf!«
Das paßte mir nicht, aber Kurak kümmerte sich nicht darum. Er war der Chef hier, und ich sah ihn zum erstenmal richtig, wie er an mir vorbeiglitt, um an die Pistole zu gelangen. Der Baphomet-Henker war eine mächtige und düstere Gestalt, dunkel gekleidet mit einem schwarzen oder grauen Mantel. Auch sein Gesicht konnte ich jetzt besser sehen. Von der Seite her wirkte es auf mich wie ein ausgebleichtes Schnitzwerk.
Leider hing das Kreuz vor meiner Brust und war durch die Kleidung verdeckt. Es hätte zu lange gedauert, es hervorzuholen. Ich wollte nicht, daß der Henker meine Beretta in die Finger bekam, und wartete auf den günstigsten Augenblick. Zudem rechnete ich damit, daß er mich unterschätzte.
Er befand sich in gebückter Haltung und hatte bereits seinen Arm ausgestreckt, als ich zutrat.
Ich erwischte ihn an der Brust, hörte seinen erstickten Aufschrei und hatte zugleich den Eindruck, daß sich die Zeit
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