1096 - Baphomets Henker
ist schon ungewöhnlich. Sonst kommt er öfter mal runter. Einfach nur, um zu schauen. Er hat auch keine Fragen mehr gestellt, als ich ihm gesagt habe, daß er nicht zur Schule zu gehen braucht. Er ist ziemlich still gewesen, wenn ich im nachhinein darüber nachdenke.«
»Macht Ihnen das Sorgen?«
Sie hatte die letzte Stufe hinter sich gelassen, blieb stehen und überlegte. »Ich weiß nicht so genau, was ich dazu sagen soll. Junge Leute sind ja manchmal wechselhaft. Heute so, morgen so. Außerdem haben mein Mann und ich mehr an Amy gedacht. Ich denke schon, daß es ihr wesentlich schlechter geht.«
»Mein Freund wird sie gefunden haben.«
»Sagen Sie das nicht nur so?«
»Weshalb?«
»Wenn es so gewesen wäre, dann hätte er sich bestimmt gemeldet. Aber das hat er nicht getan, und ich…«
»John Sinclair wird sich melden, Mrs. Bassett, da können Sie ganz sicher sein.«
Sie lächelte und drehte sich dann um. Suko ließ auch die letzten beiden Stufen hinter sich und folgte der Frau in den schmalen Flur auf der oberen Etage.
Sie hatte das Licht eingeschaltet. Es war eng hier oben. Holz war an die Decke genagelt worden.
Auf dem Boden lag ein blasser Teppich. Viel Platz war nicht. Von der Diele zweigten trotzdem vier Türen ab, die zu den kleinen Räumen führten. Eine weitere Treppe zum Dach hoch sah Suko nicht.
Joeys Zimmer lag hinter einer Tür, die verschlossen war. Auf dem Holz schimmerte ein Aufkleber.
Es war das berühmte Gesicht des Physikers Frankenstein, der dem Betrachter die Zunge herausstreckte.
Angela bemerkte Sukos Blick und fragte: »Finden Sie das witzig, Inspektor?«
»Mich stört es nicht.«
»Bei mir hat es gedauert, bis ich mich daran gewöhnen konnte.« Sie wollte die Tür öffnen.
Suko hatte etwas anderes vor. Er hielt Angela am Arm zurück. »Darf ich das machen?«
»Warum?«
»Sie bleiben in meiner Nähe.«
Angelas Blick war verständnislos, aber sie ließ Suko seinen Willen. Suko trat zunächst dicht an die Tür heran und neigte sein Ohr gegen das Holz.
»Warum tun Sie das?«
Suko drehte sich wieder um. Sein Gesicht spiegelte Anspannung wider. »Ist Joey allein in seinem Zimmer?«
»Klar, sicher. Warum fragen Sie?«
»Ich bin nicht sicher, Mrs. Bassett, aber ich hatte den Eindruck, Stimmen zu hören.«
Sie schluckte. Dann versuchte sie zu lächeln. Es wurde aber nichts daraus. »Stimmen?«
Er nickte.
»Vielleicht sitzt Joey vor dem Fernseher.«
»Das kann sein. Trotzdem sollten wir uns so leise wie möglich bewegen.«
Diesmal war sie es, die Suko festhielt. »Moment mal, Inspektor. Sie haben einen Verdacht, den Sie nicht aussprechen. Sie sagen mir das, um mich zu beruhigen. Ist das so?«
»Wir werden sehen.«
Sehr vorsichtig öffnete er die Tür und war froh, daß Joey von innen nicht abgeschlossen hatte. Nur spaltbreit ließ er sie offen und wunderte sich darüber, daß im Zimmer dahinter kein Licht brannte.
Der Junge saß im Halbdunkel.
Die Glotze lief nicht. Trotzdem hörte Suko die Stimmen. Sie klangen ungewöhnlich schrill, dabei leise und auch klirrend. Er konnte die Worte verstehen. »Du hast nicht auf uns gehört, mein Kleiner. Wir haben dich gewollt. Du aber wolltest nicht. Und dafür wirst du jetzt bezahlen. Du bist bald tot… tot… tot…«
Das konnte Suko nicht gefallen.
Er riß die Tür ganz auf.
Der Blick in das Zimmer. Es war klein. Es besaß ein Fenster gegenüber der Tür.
Dort sah er den Jungen.
Zuerst fiel ihm der Schatten auf und auch die Beine, die dicht über dem Boden baumelten. Dann sah er den Jungen, der am Fenster in einer Schlinge hing…
***
Kurak hockte auf mir. Ich lag praktisch wehrlos auf dem Rücken. Ich sah das verdammte Messer und spürte seine Knie, die gegen meinen Magen drückten. Meine Arme und Hände konnte ich noch bewegen, die rechte Hand hatte ich auch in die Höhe gedrückt, und es war mir gelungen, Kuraks Handgelenk zu umklammern. Ich spürte die rauhe Haut unter meinen Fingern und wußte zugleich, daß ich gegen den Henker kräftemäßig nicht ankam.
Er war jemand, der alles durchsetzte, was er wollte. Und er genoß es, mich zu quälen. Er war sich seiner Überlegenheit sicher, das zeigte auch sein Grinsen an.
In der kantigen Fratze hatte sich der Mund in die Breite gezogen. In seinem Gesicht zeichnete sich keine Anstrengung ab, nur die Augen waren weiter aus den Höhlen getreten. Die dunklen Pupillen schimmerten mir entgegen. Sie waren auf mich gerichtet, als wollten sie mich mit ihren Blicken
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