1098 - Das brennende Gesicht
Ole?«
»Auf die beiden warte ich.«
»Meinen Sie, daß sie kommen?«
»Da bin ich mir sicher. Auch wenn es Sie stört, muß ich Ihnen sagen, daß sie wahrscheinlich ihren Herrn und Meister besuchen und auch sehen wollen.«
»Aber Wazlaw ist tot. Der kann nicht mehr zurückkehren, Herr Sinclair.«
»Nicht mehr als Mensch.«
Wir wurden unterbrochen, denn zwei Musiker erschienen. Auf ihren Schifferklavieren spielten sie Seemannslieder, sangen dazu, und einige der Gäste stimmten mit ein. Es waren fröhliche Lieder, von denen ich mich auch gern hätte anstecken lassen, doch ich hatte einen Job zu erledigen.
Die Zuschauer waren dichter um den Biikenstoß herumgerückt.
Der Mann mit der Pfeife stand nicht mehr allein vor dem Stoß. Er hatte Unterstützung von einem Bekannten bekommen, der einen dunklen Ledermantel trug. Beide tranken Schnaps, und die Gäste begannen, die Texte der Lieder zu singen.
Es war nicht völlig dunkel. Der Schnee leuchtete noch nach. Er schuf ein sehr klares Zwielicht, und die Menschen in meiner Nähe malten sich ab wie dorthin gestellte Puppen.
Der Halbkreis war auch geblieben. Ich wollte mich nicht unter die Leute mischen und hatte auch dem Pastor nichts von meinem Plan erklärt. Es war für mich besser, wenn ich mich an der anderen Seite aufhielt. Da hatte ich die Gäste im Blick. Deshalb schlug ich einen Bogen, überquerte einen Weg, danach einen Graben und betrat ein Feld, an dessen Rand Gestrüpp wuchs.
Nicht hoch, aber schattig. Es gab für mich so etwas wie eine Deckung, in die ich mich stellte.
Die Menschen sah ich jetzt schräg vor mir. Mich hätte man erst ein genauerem Hinsehen entdecken können. Daran dachte keiner.
Die Augen aller waren auf das Zielobjekt gerichtet, den noch nicht brennenden Biikenstoß.
Ich kannte das Ritual nicht. Aufgrund meiner Beobachtungen ging ich davon aus, daß die Flammen in wenigen Minuten in die Höhe schießen würden. Der Mann mit der Pfeife war auch soweit.
Zuvor hielt er eine kleine Ansprache. Er berichtete von der Historie des Biikenbrennens, und die Menschen hörten ihm zu.
Meine Blicke suchten Ole und Jan.
Sie waren da. Sie mußten einfach da sein. Ich wartete darauf, sie zu entdecken, aber sie ließen sich nicht blicken.
Der Redner sprach zuletzt vom reinigenden Feuer und davon, daß sich die Geister des langen Winters endlich zurückziehen sollten. Sein Freund war schon dabei, die beiden Fackeln anzuzünden, die neben ihm standen. Die Rede war beendet. Kurzer Applaus brandete auf, dann hoben die Männer die Fackeln an. Zwei Flammen bewegten sich schlangengleich durch die Luft, schwebten für einen Moment über der Teerkappe und wurden gesenkt. Von zwei Seiten huschte das Feuer über den Teer hinweg. Erfaßte auch schon das Holz, das sicherlich noch nicht richtig trocken war. Daß es trotzdem schnell aufloderte, konnte an irgendwelchen Brandbeschleunigern liegen, die darin verborgen waren.
Dann loderte das Feuer!
Wieder wurde Beifall geklatscht. Die Menschen waren froh und glücklich. Das große Fest konnte beginnen. Die Musiker spielten wieder. Flaschen und Gläser kreisten. Obwohl ich noch kein Biikenfest erlebt hatte, lief es meiner Meinung nach hier wie immer ab.
Die beiden Anzünder waren von dem brennenden Haufen zurückgetreten, denn nicht nur das Feuer breitete seine Hitze aus, es gab auch dicken Rauch, der ihnen entgegenquoll und mir einen Teil der Sicht nahm. Ich suchte Ole und Jan, aber die klaren Bilder verschwammen durch den wehenden und stinkenden Rauch.
Waren sie überhaupt da?
Einige Gäste begannen zu tanzen. Die Musik und auch der Alkohol hatten sie in Stimmung gebracht. Den Pfarrer sah ich nicht mehr. Er hatte sich wohl unter das Volk gemischt.
Plötzlich puffte das Feuer gewaltig auf. Die Flammen bekamen Schwung, sie rasten in die Höhe. Zugleich schleuderten sie Glutstücke in die Höhe, die als roter Regen wieder nach unten fielen und auch die zuschauenden Menschen nicht verschonten.
Es gab keinen, der nicht überrascht gewesen wäre. Diese hohen Flammen hatte niemand erwartet. Sie waren wie riesige Arme, die sich in die Höhe reckten, als wollten sie unter allen Umständen versuchen, in die Wolken hineinzugreifen.
Für mich war es ein Beginn. Daß dieses Feuer so stark ausgebrochen war, mußte eine Ursache haben, und ich dachte daran, daß Wazlaw, der Pirat, am Beginn seiner Rache stand.
Ich stand an der falschen Stelle. Auch Ole und Jan hatte ich noch nicht gesehen. Mir war es egal, ob ich
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