11 - Die Helden des Westens
Gesicht, als ob er etwas nichts weniger als Angenehmes gesehen habe. Der Mormone erhob den Blick gen Himmel, räusperte sich einigermaßen und erklärte:
„Zwar bin ich keineswegs übermäßig mit Schätzen dieser sündigen Welt versehen, aber Essen, Trinken und ein Nachtlager kann ich doch bezahlen. Freilich hatte ich nicht auf eine solche Auslage gerechnet, da mir gesagt wurde, daß das Haus John Helmers ein außerordentlich gastliches sei.“
„Ah? Von wem habt Ihr das denn erfahren?“
„Ich hörte es in Taylorsville, von woher ich komme.“
„Da ist Euch die Wahrheit gesagt worden; aber man scheint vergessen zu haben hinzuzufügen, daß ich unentgeltliche Gastfreundschaft nur an solchen Leuten übe, welche mir willkommen sind.“
„So ist das bei mir wohl nicht der Fall?“
„Nein, gar nicht.“
„Aber ich habe Euch doch nichts getan!“
„Möglich! Doch wenn ich Euch genau betrachte, ist es mir, als ob mir von Euch nur Übles geschehen könne. Nehmt es mir nicht übel, Sir! Ich bin ein aufrichtiger Kerl und pflege einem jeden genau nur das zu sagen, was ich von ihm denke. Ihr habt ein Gesicht – ein Gesicht – hm, wenn man es erblickt, so juckt es einem in der Hand. Man pflegt das ein – ein Ohrfeigengesicht zu nennen.“
Selbst jetzt tat der Mormone nicht, als ob er sich beleidigt fühle. Er griff zum drittenmal an den Hut und sagte in mildem Tone:
„Es ist in diesem Leben das Schicksal der Gerechten, verkannt zu werden. Ich bin nicht schuld an meinem Gesicht. Wenn es Euch nicht gefällt, so ist das nicht meine, sondern Eure Sache.“
„So! Aber sagen braucht Ihr es Euch nicht zu lassen. Wenn jemand mir so aufrichtig mitteilte, daß mein Gesicht ihm nicht gefalle, so würde er im nächsten Augenblick meine Faust in dem seinigen fühlen. Es gehört ein großer Mangel an Ehrgefühl dazu, so etwas ruhig hinzunehmen. Übrigens will ich Euch sagen, daß ich gegen Euer Gesicht an und für sich eigentlich gar nichts habe, sondern nur die Art und Weise, wie Ihr es in der Welt herumtragt, die behagt mir nicht. Und sodann kommt es mir ganz so vor, als ob es gar nicht Euer wirkliches Gesicht sei. Ich vermute sehr, daß Ihr eine ganz andere Miene aufsteckt, wenn Ihr Euch mit Euch allein befindet. Übrigens will mir auch noch anderes an Euch nicht recht gefallen.“
„Darf ich bitten, mir zu sagen, was Ihr meint?“
„Ich sage es Euch, auch ohne daß Ihr mich darum bittet. Ich habe nämlich sehr viel dagegen, daß Ihr aus Taylorsville kommt.“
„Warum? Habt Ihr Feinde dort?“
„Keinen einzigen. Aber sagt mir doch einmal, wohin Ihr wollt?“
„Hinauf nach Preston am Red River.“
„Hm! Da geht wohl der nächste Weg hier bei mir vorüber?“
„Nein, aber ich hörte so viel Liebes und Gutes von Euch, daß es mich im Herzen verlangt hat, Euch kennenzulernen.“
„Das wünscht ja nicht, Master Burton, denn es könnte Euch nicht gut bekommen! Kommt Ihr denn zu Fuß hierher?“
„Ja.“
„Ihr seid nicht im Besitz Eures Pferdes?“
„Meines Pferdes? Ich habe keines.“
„Oho! Versucht doch ja nicht, mir das weiszumachen! Ihr habt das Tier hier irgendwo versteckt, und ich vermute sehr, daß es kein ganz ehrenhafter Grund ist, der Euch dazu veranlaßt hat. Hier reitet jeder Mann, jede Frau und jedes Kind. Ohne Pferd gibt es in dieser Gegend hier kein Fortkommen. Ein Fremder, welcher sein Pferd versteckt und dann leugnet, eins zu besitzen, führt sicherlich nichts Gutes im Schilde.“
Der Mormone schlug die Hände beteuernd zusammen und rief:
„Aber, Master Helmers, ich schwöre Euch zu, daß ich wirklich kein Roß besitze. Ich gehe auf den Füßen der Demut durch das Land und habe noch nie in einem Sattel gesessen.“
Da erhob sich Helmers von der Bank, trat zu dem Mann hin, legte ihm die Hand schwer auf die Achsel und sagte:
„Mann, das sagt Ihr mir, der ich so lange Jahre hier an der Grenze lebe? Meint Ihr denn, ich sei blind? Ich sehe ja, daß Ihr Euch die Wolle von den inneren Seiten Eurer Hose geritten habt. Ich sehe die Sporenlöcher in Euren Stiefeln, und – – –“
„Das ist kein Beweis, Sir!“ fiel der Mormone ihm in die Rede. „Ich habe die Stiefeln alt gekauft; die Löcher waren bereits darin.“
„So! Wie lange Zeit tragt Ihr sie denn nun bereits?“
„Seit zwei Monaten.“
„Dann wären die Löcher längst mit Staub oder Schmutz gefüllt. Oder macht Ihr Euch etwa das Vergnügen, sie täglich neu auszubohren? Es hat in letzter Nacht geregnet;
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