11 - Die Helden des Westens
das ganze Geld verschwunden gewesen, und die Verfolgung hatte nichts genützt, weil durch ein inzwischen eingetretenes Gewitter die Fährte des Diebes verwischt worden war. Es hat sich bisher keine Spur des Mannes finden lassen, obgleich wir während der Zeit, welche indessen vergangen ist, uns oft nach diesem guten Master Weller erkundigt haben. Jetzt behauptet Bob, ihn in diesem Heiligen des jüngsten Tages zu erkennen, und ich möchte nicht annehmen, daß er sich irrt. Bob hat offene Augen und ein sehr gutes Personengedächtnis. Er versicherte damals, sich den Menschen so genau angesehen zu haben, daß er ihn selbst unter einer Verkleidung sofort erkennen werde. Das, Master Helmers, ist es, was ich in dieser Angelegenheit zu sagen habe.“
„Also Ihr selbst habt den Dieb damals nicht gesehen?“
„Nein.“
„So seid Ihr freilich nicht imstande, dem Neger zu bezeugen, daß wir den Dieb wirklich vor uns haben. Bob steht mit seiner Behauptung allein. Was da zu machen ist, werdet Ihr ebenso gut wissen wie ich.“
„Masser Bob es genau wissen, was zu machen sein!“ rief der Neger. „Masser Bob schlagen den Spitzbuben tot. Masser Bob sich nicht irren, sondern ihn sehr gut erkennen.“
Er wollte Helmers zur Seite schieben, um an den Mormonen zu kommen; der Farmer aber hielt ihn zurück und sagte:
„Halt! Das wäre eine Gewalttätigkeit, welche ich auf meinem Grund und Boden nicht dulden kann.“
„Gut, dann Masser Bob warten, bis Spitzbube sein fort von Grund und Boden; dann aber ihn aufknüpfen am nächsten Baum. Masser Bob hier sitzen und gut aufpassen, wenn fortgehen der Dieb; er ihn sicherlich nicht aus den Augen lassen!“
Er setzte sich nieder, doch so, daß er den Mormonen im Auge hatte. Man sah ihm an, daß es ihm mit seiner Drohung völlig Ernst sei. Burton musterte mit ängstlichem Blicke die riesige Gestalt des Negers und wendete sich dann an Helmers:
„Sir, ich bin wirklich unschuldig. Dieser schwarze Master verkennt mich ganz und gar, und ich hoffe, daß ich mich auf Euren Schutz verlassen kann.“
„Verlaßt Euch nicht zu sehr auf mich“, lautete die Antwort. „Es sind keine genügenden Beweise erbracht, und mich geht der Diebstahl überhaupt nichts an, weil ich keinerlei amtliche Eigenschaft besitze. Infolgedessen könnt Ihr ruhig sein, solange Ihr Euch hier befindet. Ich habe Euch aber bereits gesagt, daß Ihr Euch baldigst von dannen machen sollt. Was dann geschieht, das ist mir gleichgültig. Ich kann Master Bob das Recht nicht bestreiten, diese Angelegenheit unter vier Augen mit Euch zu ordnen. Zu Eurer ganz besonderen Beruhigung will ich gern noch versichern, daß ich nicht vor Entsetzen in Ohnmacht fallen werde, falls ich Euch morgen unter irgendeinem Baum begegnen sollte, dessen stärkster Ast Euch zwischen Hals und Binde geraten ist.“
Damit war die Sache für einstweilen abgetan. Der Mormone wendete sich seinem Mahl wieder zu, aber er aß sehr langsam und mit bedeutenden Pausen, um die ihm gewährleistete Sicherheit möglichst lange zu genießen. Bobs rollende Augen ließen keinen Augenblick von ihm, und Bloody-Fox, welcher sich äußerlich ganz passiv verhalten hatte, fixierte ihn noch ebenso wie vorher. Der junge Mann mußte ein ganz eigenartiges Interesse an dem angeblichen Mormonen finden.
ZWEITES KAPITEL
Der Schuß in die Stirn
Jetzt war jeder mit dem Essen und mit seinen eigenen Gedanken so beschäftigt, daß die Unterhaltung vollständig stockte. Und als später Frank das vorher abgebrochene Gespräch über den Llano estacado wieder in Fluß bringen wollte, wurde er durch das abermalige Erscheinen eines Ankömmlings daran verhindert.
„Euer Haus scheint ein sehr besuchtes zu sein, Master Helmers“, sagte er. „Dort kommt schon wieder ein Horseman, der es auf Euch abgesehen hat.“
Der Wirt wendete sich rückwärts, um nach dem Reiter zu sehen. Als er denselben erkannte, sagte er in lebhaftem Ton:
„Das ist einer, den ich stets willkommen heiße, ein tüchtiger Kerl, auf den man sich in jeder Beziehung verlassen kann.“
„Wohl ein Trader, wie es scheint, der bei Euch seine verkauften Waren erneuern will?“
„Meint Ihr das, weil er zu beiden Seiten des Sattels so große Taschen hängen hat?“
„Ja.“
„So irrt Ihr Euch. Er ist kein Händler, sondern einer unserer vorzüglichsten Scouts, den Ihr kennenlernen müßt.“
„Vielleicht ist mir sein Name bekannt.“
„Wie er eigentlich heißt, weiß ich nicht. Man nennt ihn allgemein den
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