11 - Die Helden des Westens
eine so weite Fußwanderung hätte Eure Stiefel über und über beschmutzt. Daß sie so sauber sind, wie ich sehe, ist ein sicherer Beweis, daß Ihr geritten seid. Übrigens duftet Ihr nach Pferd, und da, da schaut einmal her! Wenn Ihr einmal wieder die Sporen in die Hosentasche steckt, so sorgt dafür, daß nicht ein Rad davon außen am Saum hängenbleibt!“
Er deutete auf das messingene Sporenrad, welches aus der Tasche hervorsah.
„Diese Sporen habe ich gestern gefunden“, verteidigte sich der Mormone.
„So hättet Ihr sie lieber liegenlassen sollen, da Ihr sie ja doch nicht braucht. Übrigens braucht es mich ja gar nichts anzugehen, ob Ihr reitet oder mit Schusters Fregatte segelt. Meinetwegen könnt Ihr auf Schlittschuhen durch die Welt laufen. Wenn Ihr bezahlen könnt, so sollt Ihr Essen und Trinken haben; dann aber macht Euch wieder fort. Über die Nacht kann ich Euch nicht behalten. Ich nehme nur Leute, welche keinen Verdacht erregen, bei mir auf.“
Er trat an das Fenster, sagte einige halblaute Worte hinein und kehrte dann wieder an seinen Platz zurück, wo er sich niederließ und sich scheinbar gar nicht weiter um den Fremden bekümmerte.
Dieser setzte sich an den nächsten Tisch, legte sein Bündel auf denselben, faltete kopfschüttelnd die Hände und senkte ergeben das Haupt, ruhig wartend, was man ihm bringen werde. Er hatte ganz das Aussehen eines Mannes, welchem ein unverdienter Schmerz bereitet worden war.
Hobble-Frank hatte der kurzen Unterhaltung mit Interesse zugehört; jetzt nun, da sie beendet war, beachtete er den Mormonen nicht weiter. Ganz anders aber verhielt sich Bloody-Fox.
Dieser hatte gleich beim Erscheinen des Fremden die Augen weit geöffnet und dann den Blick nicht wieder von ihm gewendet. Er hatte sich nicht niedergesetzt gehabt und war willens gewesen, die Farm zu verlassen; sein Pferd stand ja noch neben ihm. Jetzt griff er sich nach der Stirn, als ob er sich vergeblich bemühe, sich auf etwas zu besinnen. Dann ließ er die Hand sinken und nahm langsam dem Farmer gegenüber Platz, so daß er den Mormonen genau beobachten konnte. Er gab sich Mühe, sich nichts merken zu lassen; aber ein scharfer Beobachter hätte dennoch sehen können, daß er innerlich in ganz ungewöhnlicher Weise beschäftigt sei.
Da trat eine ältliche, wohlbeleibte Frau aus der Tür. Sie brachte Brot und ein gewaltiges Stück gebratene Rindslende herbei.
„Das ist meine Frau“, erklärte Helmers dem Hobble-Frank in deutscher Sprache, während er mit dem Mormonen englisch gesprochen hatte. „Sie versteht ebenso gut deutsch wie ich.“
„Das freut mich ungeheuer“, meinte Frank, indem er ihr die Hand reichte. „Es is gar lange Zeit her, daß ich zum letztenmal mit eener Lady mich um die deutsche Muttersprache herumbewegte. Seien Sie mir also hochwillkommen und gebenedeiet, meine charmante Frau Helmers. Hat Ihre Wiege sich vielleicht ooch im Vater Rhein oder in der Schwester Elbe geschaukelt?“
„Wenn auch das nicht“, antwortete sie lächelnd. „Man pflegt selbst drüben in der Heimat die Wiegen nicht in das Wasser zu stellen. Aber eine geborene Deutsche bin ich doch.“
„Na, das mit dem Rhein und der Elbe war natürlich nich so wörtlich gemeent. Sie müssen das als ein poetisch humanes Metafferbeischspiel nehmen. Ich hab' meinen erschten wonnevollen Atemzug in der Nähe von Elbflorenz getan, was der mathematische Geograph nämlich Dresden nennt. Da is es bei den dortigen Kunstschätzen kein Wunder nich, wenn unsereener sich gewöhnt hat, in der höheren lyrischen Ausdrucksweise zu schweben. Wenn Schiller im ‚Gange nach der Hammerschmiede‘ so schön singt: ‚der Menschheit Würde is euch in alle beeden Hände gegeben‘, so sind wir Sachsen ganz besonders gemeent, denn uns hat das Herz des Dichters gehört, weil seine Frau, eene gewisse geborene Barbara Uttmann, ooch eene née Sächsin war. Trotzdem achte ich jede andere Deutsche ebenso, und so bitte ich Sie herzlich, Ihre gastlichen Flügel um mein freundliches Individuum zu schlagen. Den Dank, Dame, vergesse ich nich – was sich übrigens bei meinem exquisiten Kulturschtandpunkt ganz von selbst verschteht.“
Die gute Frau wußte wirklich nicht, was sie dem eigentümlichen Kerlchen antworten sollte. Sie sah ihren Mann fragend an, und dieser kam ihr in ihrer Verlegenheit zu Hilfe, indem er ihr erklärte:
„Dieser Herr ist ein sehr lieber Kollege von mir, ein brav geschulter Forstmann, welcher drüben sicher eine gute
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