11 - Die Helden des Westens
Namen und Lebensumschtände sämtlicher Schtadtrichter und Dorfgeistlichen der Kinder Israels sehr genau. Der erschte Richter kam gleich nach Moses und hieß Josua. Er war derjenige, welche der Sonne und dem Mond eenen so großen Schreck einjagte, daß sie absolut nich weiter konnten. Das war in der Schlacht bei Tours und Poitiers gegen Karl Martell, dem Fürschten der Edomiter. Die Sonne wollte hinter dem Himalaja verschwinden, und der Mond war schon über dem Chimporasso herauf. Damit es noch länger Tag bleiben sollte, streckte Josua seine Hand aus, machte den beeden Himmelsgeschtirnen eene drohende Faust und rief:
‚ Oribus pictus, Boa constrictus,
spiritus rectus, genua flectus!’
Sofort schtanden Phöbus und Lunette schtille und warteten gehorsam, bis die Schlacht gewonnen war. Siehste, Fred, ich kenne die Geschichte so genau, als ob ich damals selber der Mond gewesen wäre. Solche weltgeschichtliche Oogenblicke bleiben mir sehre fest im Rückenmarke sitzen, was bekanntlich der anatomische Sitz des Gedächtnisses ist. In dieser Wissenschaft bin ich dem Rotteck, dem Becker, dem Schlosser und sogar dem Töchter-Nösselt überlegen. Ihre Bücher sind leidlich gut, ja; aber den richtigen, begeisterten Schmiß haben sie nich, und die vielen Lücken, die sie offgelassen haben, hätte nur alleene ich ausfüllen können, wenn sie so gescheit gewesen wären, sich an mich zu wenden.“
„Ja“, lachte Fred, „das glaube ich gern. Aber diese Geschichtschreiber haben dich vielleicht gar nicht gekannt!“
„So brauchten sie nur nach Moritzburg zu kommen, wo ich zu finden war. Nachloofen tu ich keenem Geschichtschreiber, der doch ooch weiter nichts als nur das schreibt, was er in Büchern und Urkunden gefunden hat. Das kann jeder! Ich aber setze mir die rhetorisch lexikale Weltgeschichte durch eegenes Ingenium zusammen; ich prüfe, wer sich ewig bindet, und der Feldherr oder Schtaatsmann, der Moltke oder Bismarck, welcher diese Prüfung beschteht, wird in die Annalen meiner kritischen Inschpiration offgenommen. Aber ja keen anderer nich, denn mit der Weltgeschichte muß man ungeheuer vorsichtig sein. Man darf keenen hineinbringen, der es nich verdient, in die Zahl der schterblichen Götter und unschterblichen Helden offgenommen zu werden, sonst is man blamiert für alle Zeit. Denk da nur mal an den Geschichtschreiber Rafael Sanzio! Dieser unbegreifliche Kerl ist so unvorsichtig gewesen, den Brandstifter Herodias durch seine Weltgeschichte unschterblich zu machen. Das war doch een Schwabenschtreich allererschter Sorte!“
„Herodias? Ein Brandstifter?“ fragte Helmers.
„Ja. Da reichen eure chronikalischen Gedächtnisschlüsse wohl wieder mal nich aus? Herodias war derjenige mexikanische Halunke, welcher in der berühmten Hafenstadt Ephorus die Sommervilla der Göttin Diana in Brand geschteckt hat, und zwar nur aus dem triftigen Grund, daß sein Name von dem Posaunenschall der Nachwelt geflüstert werden solle.“
„Da ist wohl Herostratos gemeint, welcher den Tempel der Diana zu Ephesus niederbrannte? Herodias war kein Mann, sondern eine Frau, nämlich das Weib des Herodes Antipas.“
„Ach? So! Was ihr nich alles wißt!“ antwortete der Hobble-Frank in ziemlich höhnischem Tone. „Herostratos! Ephesus! Antipas! Nee, was da alles untereindergequirlt wird! Das sollte man gar nich für möglich halten! Herodes Antipas hat gar nich geheiratet; er is unvermählt zu seinen Urvätern entschlafen und hat noch in seiner Todesschtunde das schöne Opernlibretto gedichtet:
‚Ich hinterlasse keene Leibeserben
Und kann also frisch hinüberschterben‘,
was nachher von dem belgischen Tonkünstler Schlagintweit Sakuntalawynsky im Sechsachteltakt komponiert worden is. Dieser elegisch-pharmaceutisch ausgerüstete Reim beweist doch bis zur Konsistenz, daß Herodes als unvermählter Erbonkel ins geschteigerte Jenseits hinübergeschlummert is. Und den Herodias kenne ich beinahe noch genauer. Als er die Villa weggebrannt hatte, floh er nach Ägypten. Dort wurde er Vizekönig und ließ die Molukken ermorden.“
„Mamelucken willst du wohl sagen?“ verbesserte Fred.
„Unsinn! Die Mamelucken sind Inseln, welche sich von Japan nach Schottland hinüberziehen. Die Molukken aber waren die Leibwächter des ägyptischen Selbstbeherrschers aller Reußen und Preußen. Herodias ließ sie abschlachten, weil sie ihm unbequem wurden, und ihre unteren Extremitäten ins Wasser werfen, woher das bekannte Schpruchwort kommt: ‚De
Weitere Kostenlose Bücher