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11 - Die Helden des Westens

11 - Die Helden des Westens

Titel: 11 - Die Helden des Westens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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es dabei kein Sausen und Brausen; er strich vielmehr mit heimtückischer Stille nach der so großartig erleuchteten Himmelsgegend zu. Und dabei war er so kalt, daß man sich hätte in einen Pelz hüllen mögen.
    „Das sollte Old Shatterhand sehen!“ sagte der Juggle-Fred. „Leider kann er noch nicht zurück sein, denn es ist jetzt gerade Mitternacht.“
    „Mitternacht!“ stieß der Hobble-Frank hervor. „Das is die Geisterschtunde. Da wird gewiß dort, wo es brennt, was Grausiges passieren!“
    „Was soll da, außer dem Feuer, Schreckliches geschehen?“
    „Frag doch nich so verkehrt! Um Mitternacht öffnet sich der Orkus, und die Geschpenster schteigen heraus. Da treiben sie eene ganze Schtunde lang allerhand Unfug. Ich kenne das, denn ich habe sogar des Nachts die Oogen offen. Wie jedes Land und Volk seinen Charakter hat, so haben ooch die Geschpenster jeder Gegend ihr besonderes Temperament und ihre besonderen Liebhabereien. In der eenen Gegend drehen sie den Menschen den Hals um, und in der anderen würgen sie die Leute an den Kreuzwegen ab. Die Sachsen sind die gemütlichsten Leute, und darum gibt es dort die urgemütlichsten Geschpenster. Über das, was sie treiben, singt der Dichter des Elbgaues zu seiner Appolloharmonika:
    ‚Am dunklen Rabenschteen da drüben
Bei Königschteen und Pärne,
Da tun die Geister Kegel schieben;
Das sieht mer gar nich gerne.‘
    Wer aber weeß denn, was die hiesigen Geister für eene besondere Passion haben. Es können gerade die allergefährlichsten und allerschlimmsten sein, die es gibt. Darum wollen wir uns in acht nehmen und – Herr Jemerschnee, habe ich nich recht gehabt? Guckt mal hin! Dort kommt er geritten!“
    Er rief die letzteren Worte in Tone des Entsetzens aus. Und das, was jetzt geschah, konnte allerdings selbst dem furchtlosesten Menschen ein Grauen einjagen. Der Geist des Llano estacado erschien abermals.
    Wie bereits gesagt, bildete die fremdartige Lichterscheinung jetzt einen gewaltigen Halbkreis am südlichen Himmel. Da, wo der Bogen dieses Halbkreises links auf dem Horizont lag, erschien jetzt plötzlich die Gestalt eines riesigen Reiters. Das Pferd war schwarz, aber der Reiter war weiß. Er hatte die Gestalt eines Büffels. Man sah ganz deutlich den Kopf mit den beiden Hörnern, den Nacken mit der struppigen, halblangen Mähne, welche hinterher flatterte, und den Leib, welcher sich nach rückwärts mit dem Hinterteil des Pferdes vereinigte. Die Konturen dieses Bildes waren von lichtfunkelnden Linien eingefaßt.
    Das Pferd befand sich in geradezu rasendem Galopp. Es bewegte sich nicht etwa auf einer ebenen Linie, also auf dem Durchmesser dieses lodernden Halbkreises, sondern es stieg innerhalb des Kreisbogens empor und galoppierte längs desselben weiter. Es hatte ein Stück Boden unter sich, der ihm auch unter den Füßen blieb.
    So jagte es in runder Linie am Himmel aufwärts bis zum höchsten Punkt und dann an der rechten Seite der glühenden Halbscheide wieder herab bis da, wo der Kreisbogen den Horizont berührte. Dort verschwand es so plötzlich, wie es erschienen war.
    Den Zuschauern war es trotz der kalten Luft, welche sie umwehte, glühend heiß geworden. War da an Täuschung zu denken? Nein, das war die reine, unbestrittene Wahrheit. Sie fanden keine Worte, ihren Gefühlen Ausdruck zu geben. Selbst der bedächtige Comanche ging aus sich heraus und rief ein „Uff“ nach dem andern. Was sie sprachlos machte, das öffnete ihm den Mund zu diesen Ausrufungen.
    Sie standen da und warteten, ob die Erscheinung sich vielleicht wiederholen werde – vergebens. Eine Zeitlang loderte der Halbkreis noch in gleicher Stärke fort; dann verlor sein Bogen die bisherige Schärfe und seine Lichter begannen zu verdunkeln.
    Da ertönte hinter ihnen weicher Hufschlag im Sande. Reiter kamen, hielten bei ihnen an und sprangen von den Pferden. Der vorderste von ihnen war Old Shatterhand.
    „Gott sei Dank, daß ihr noch lebt!“ rief er aus. „Ich glaubte euch verloren, und war vollständig überzeugt, eure Leichen aus dem Sand graben zu müssen.“
    „So schlimm hat der Tornado uns denn doch nicht mitgespielt“, antwortete Fred. „Wir sind von ihm nur gestreift worden, Sir. Ihr müßt euch außerordentlich beeilt haben; wir konnten euch jetzt noch nicht erwarten.“
    „Ja, wir haben einen wahren Parforceritt gehabt. Es galt, euch zu retten. Darum ist auch Master Helmers mit seinen Knechten mitgekommen, wie ihr seht. Wir hatten große Sorge um euch. Der

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