11 - Die Helden des Westens
sah trotz der dunklen Haut des Schwarzen, daß diesem vor Schreck das Blut aus dem Gesicht gewichen war.
„Ist er noch drin in der Höhle?“ fragte der Knabe.
Bob fuhr mit den Armen in der Luft herum und bewegte die Lippen, brachte aber keine Antwort hervor. Er hatte sein Gewehr fallen lassen. Seine Augen verdrehten sich, und seine Zähne knirschten aufeinander.
Da raschelte es im Gestrüpp – der Kopf eines Grizzly, eines grauen Bären, blickte aus demselben hervor. Das gab dem Neger die Sprache wieder.
„Fort, fort!“ schrie er. „Masser Bob hinauf auf Baum!“
Er tat einen gewaltigen Sprung vorwärts nach einer dünnen, schlanken Birke und fuhr mit der Schnelligkeit eines Eichhörnchens am Stamm derselben empor. Martin war leichenblaß im Gesicht geworden, doch nicht aus Angst. Mit einem schnellen Griff raffte er das Gewehr des Negers auf und sprang dann hinter eine starke Blutbuche, welche in der Nähe stand. Er lehnte das Gewehr an den Stamm derselben und griff dann zu seiner eigenen Doppelbüchse, welche an seiner Schulter hing.
Der Bär war langsam zwischen dem Gedorn hervorgetreten. Seine kleinen Augen blitzten erst nach dem Neger, welcher mit den Händen an den unteren Ästen der Birke hing, und sodann nach Martin, der ihm entfernter stand. Er senkte den Kopf, öffnete den geifernden Rachen und ließ die Zunge lang hervorhängen. Er schien zu überlegen, gegen welchen der beiden Feinde er sich zunächst wenden solle. Dann richtete er sich langsam und wackelnd auf die Hinterpranken empor. Er war sicherlich acht Fuß hoch und verbreitete jenen penetranten Geruch, welcher den Raubtieren der Wildnis allen mehr oder weniger eigen ist.
Von dem Augenblick an, an welchem Bob von der Erde aufgesprungen war, bis jetzt, war noch keine Minute vergangen. Als der Neger das riesige Tier in einer Entfernung von kaum vier Schritt von sich so drohend aufgerichtet sah, zeterte er:
„For gods sake! Der Bär wollen fressen Masser Bob! Hinauf, hinauf, schnell, schnell!“
Er turnte sich mit krampfhaften Bewegungen immer weiter hinauf. Leider aber war die Birke so schwach, daß sie sich unter der Last des riesigen Schwarzen bog. Er zog die Füße möglichst weit empor und klammerte sich mit Armen und Beinen fest an, konnte sich aber doch nicht in reitender Stellung halten. Der dünne Wipfel des Bäumchens neigte sich nieder, und Bob hing nun an allen vieren von demselben hernieder wie eine riesige Fledermaus.
Der Bär schien zu begreifen, daß dieser Feind leichter zu besiegen sei als der andere; er wendete sich nach der Birke und bot dadurch Martin seine linke Seite dar. Der junge Mann, welcher halb noch Knabe war, hatte nach der Brust gegriffen. Dort hing unter dem Jagdhemd die kleine Puppy, das blutige Andenken an sein unglückliches Schwesterchen.
„Luddy, Luddy!“ flüsterte er. „Ich räche dich!“
Er legte mit sicherer, nicht zitternder Hand seine Büchse an. Der Schuß krachte, noch einer – – –
Bob ließ vor Schreck los.
„Jessus, Jessus!“ schrie er. „Masser Bob sein tot, quite dead!“
Er stürzte herab, und die Birke schnellte in ihre natürliche Lage zurück.
Der Bär war zusammengezuckt, als ob er einen Stoß oder Schlag erhalten hätte. Er sperrte den fürchterlichen, mit gelben Zähnen bewehrten Rachen auf und tat noch zwei langsame Schritte weiter. Der Neger streckte ihm beide Arme entgegen und schrie, an der Erde liegenbleibend:
„Masser Bob haben dir nichts tun wollen, haben nur wollen Opossum fangen!“
In demselben Augenblick stand der kühne Knabe zwischen ihm und der Bestie. Er hatte sein abgeschossenes Gewehr fortgeworfen und die Flinte des Schwarzen ergriffen, deren Lauf er nun auf den Bären richtete. Er und das Tier standen nicht zwei Ellen voneinander. Seine Augen blitzten kühn, und um seinen zusammengepreßten Mund lag jener unerbittliche Zug, welcher deutlich sagte: du oder ich!
Aber anstatt loszudrücken, ließ er das Gewehr sinken und sprang zurück. Er hatte mit scharfem Blick erkannt, daß dieser dritte Schuß nicht nötig sei. Der Bär stand still. Ein röchelndes Brummen drang aus seiner Kehle, ein brüllendes Stöhnen folgte; ein Zittern durchlief den Körper, die Vorderpranken sanken nieder, ein dunkler Blutstrom quoll über die Zunge, dann brach das Tier zusammen – ein konvulsivisches Zucken – der Körper wälzte sich halb zur Seite und blieb dann unbeweglich hart neben dem Neger liegen.
„Help, Help – Hilfe, Hilfe!“ wimmerte der
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