11 Love Storys von Anhaltern und anderen Unwaegbarkeiten
ich jetzt mit quietschenden Reifen auf die Autobahn biege, mir egal. Adrenalin durchflutet meine Adern und der schönste Mann der Welt sitzt neben mir und lacht. Wir lassen Dresden hinter uns und befinden uns bald im Niemandsland zwischen der Deutschen und Tschechischen Grenze.
Der Auspuff röhrt, mein Nachbar schweigt und aus dem Radio erklingt deutscher Schlager. ‚Tausendmal berührt‘ singt gerade eine Combo, deren Namen ich nicht erinnere. Verdammter Schmalz. Mein Beifahrer seufzt, dreht sich und bugsiert seinen Rucksack auf den Rücksitz. Dabei streifen mich seine Haare. Waah! Was für ein Duft. Ich will darin baden, es jeden Tag als Deo benutzen und nie wieder etwas anderes riechen.
„Ich finde, dass die Straßen, die schon Hitler damals für seinen Vormarsch genutzt hat, abgerissen gehören“, verkündet der sexy Halbgott, „Sie sind ein Zeichen des Bösen. WIR müssen – auch jetzt noch – andere Zeichen setzen. Nieder mit den Autobahnen.“
Wenn der Auspuff nicht in diesem Moment den Plan umgesetzt hätte, komplett die Grätsche zu machen und sich immer kleiner werdend im Rückspiegel mit einem letzten Wölkchen zu verabschieden, ich hätte geantwortet. So aber bleibt mir die Spucke weg. Ich glotze in den Spiegel, als könnte ich das verdammte Rostteil damit dazu bewegen, dem Wagen hinterherzusetzen und sich selbst wieder anzuschweißen.
„Du interessierst dich nicht für Geschichte?“, fragt Schwarzhaar.
Ich starre immer noch und lausche dem Geräusch, das jetzt nicht mehr wie Formel-Eins, sondern eher nach Schrottplatz klingt. Verdammt! Ich werde meinem Bruder die Kehle aufschlitzen und sein Blut trinken.
„Geschichte…“, salbadert mein Nachbar, „…sind wir irgendwie alle. Man darf sie niemals vergessen. Ich – für meinen Teil – finde…“
„Halts Maul“, fahre ich ihn an und den rotzenden und spotzenden Karren auf den nächsten Parkplatz.
Der Motor erstirbt, mit ihm der Redefluss meines Nachbarn. Ich glotze auf die Armaturen und kann’s einfach nicht glauben. Auspuff weg – was nun?
„Äh“, wagt Schwarzhaar nach einer Weile zu reden, „Sind wir jetzt…gestrandet?“
„Siehst du hier irgendwo eine Insel?“, fahre ich den Idioten an.
„Nö“, sagt der dumme Kerl, den ich – wenn er denn Mechaniker wäre – sofort ranlassen würde, damit er mich in Grund und Boden vögelt, und danach – verfickt nochmal – soll er den Scheiß Auspuff aufsammeln und meinetwegen mit seinem Atem wieder anbacken.
Allerdings würde ich ihn auch so an meinen Arsch lassen, doch bisher habe ich kein Anzeichen von sexuellem Interesse an ihm feststellen können. Gut, wir sind erst eine halbe Stunde unterwegs und bisher hat er nur Intellektuellen Mist von sich gegeben. Mal sehen, ob der Kerl noch mehr Facetten zu bieten hat.
Nachdem ich mit meinem Bruder telefoniert habe, der einen Kumpel hat, der wiederum einen Schwippschwager zweiten Grades hat, der rein zufällig ein Abschleppunternehmen betreibt, ist klar, dass wir bis zum nächsten Tag hier festsitzen werden. Dieser…Schwippschwager wird in den frühen Morgenstunden aufbrechen, aber jetzt ist es erst gerade mal acht Uhr abends. Ich stecke das Handy in meine Hosentasche und mustere den Schwarzhaarigen, der immer noch im Auto hockt. Zum Telefonieren bin ich ausgestiegen und habe mich mit dem Hintern an den Kofferraum gelehnt, den ich jetzt öffne.
Mein Bruder ist Campingfan, was mir nun zugutekommt. Ein Zelt, ein Schlafsack und allerlei anderes Zubehör liegen vor mir. Ich schaue mich um und finde, dass es kein schlechter Ort ist, um gestrandet zu sein. Ein neues Klohaus befindet sich in der Mitte des Parkplatzes und große Bäume säumen ihn zu beiden Seiten. Die Geräusche der Autobahn kommen hier nur gedämpft an und viel ist sowieso nicht los.
„He, Historienfan, komm her und hilf mir“, rufe ich, wobei ich schon den Sack mit dem Zelt aus dem Kofferraum hieve. „Wir müssen hier übernachten, außer, du willst dir eine andere Mitfahrgelegenheit suchen.“
„Ich heiße Richard“, sagt mein Beifahrer, der flink aus dem Wagen gekrabbelt ist und nimmt mir den Nylonsack ab. „Und du bist…?“ Seine dunklen Augen richten sich neugierig auf mich.
„Chris“, antworte ich.
Wir lächeln uns eine halbe Sekunde lang an, dann beuge ich mich wieder über den BMW und wühle in den Campingsachen. In Richards Augen ist eindeutig Interesse aufgeblitzt, wenn mich nicht alles täuscht. Ich finde ihn nach wie vor attraktiv, doch
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