11 - Nie sollst Du vergessen
Herzen war. Ob sie einen Moment stören dürfe, fragte Barbara, sie suche Schwester Cecilia Mahoney; woraufhin die Frau sich lächelnd umdrehte und sagte:
»Dann suchen Sie mich«, und das in so ausgeprägtem irischem Dialekt, als wäre sie eben erst aus Killarney angekommen.
Barbara stellte sich vor, und Schwester Cecilia kletterte vorsichtig von der kleinen Leiter herab.
»So, so, Sie sind also von der Polizei. Das sieht man Ihnen gar nicht an. Gibt es denn irgendwelche Schwierigkeiten, Constable?«
Die Beleuchtung in der Kapelle war düster, aber von der Leiter herabgestiegen, stellte sich Schwester Cecilia in den Schein einer Votivkerze, die auf dem Altar brannte. Das milde Licht glättete die Falten in dem Gesicht der vielleicht Fünfzigjährigen und setzte Glanzlichter auf das rabenschwarze Haar, das zwar kurz geschnitten, aber trotzdem nicht einmal von einigen Spangen zu bändigen war. Ihre veilchenblauen Augen mit den dunklen Wimpern waren freundlich auf Barbara gerichtet.
»Können wir uns irgendwo ungestört unterhalten?«, fragte Barbara.
»So traurig es ist - hier werden wir ganz sicher nicht gestört werden, Constable«, antwortete Schwester Cecilia. »Früher war das anders. Aber heutzutage ... sogar die Schülerinnen, die bei uns im Wohnheim leben, kommen nur in die Kapelle, wenn sie vor einer Prüfung stehen und Gottes Hilfe erhoffen. Kommen Sie, gehen wir hier hinauf, dann können Sie mir sagen, was Sie von mir wissen wollen.« Wieder lächelte sie, mit ebenmäßigen weißen Zähnen, und fügte dann wie zur Erklärung ihres Lächelns hinzu:
»Oder wollen Sie zu uns ins Kloster kommen, Constable?«
»Was die Kleidung betrifft, war's wahrscheinlich eine Verbesserung«, meinte Barbara.
Schwester Cecilia lachte. »Kommen Sie, beim Hauptaltar ist es etwas wärmer. Da habe ich immer einen Heizlüfter stehen für unseren Monsignore, wenn er morgens die Messe liest. Er leidet ziemlich heftig unter Arthritis, der arme Mann.«
Sie nahm ihre Putzutensilien und führte Barbara unter einer tiefblauen Decke durch den Mittelgang nach vorn. Es war, wie Barbara sah, eine Kapelle der Frauen: Alle Kunstwerke außer der Jesusstatue und einem Glasfenster, das den heiligen Michael zeigte, stellten Frauen dar: die heilige Theresa von Lisieux, die heilige Klara, die heilige Katharina und die heilige Margarete. Und auch die Schmucksäulen, die die Fenster flankierten, waren von steinernen Frauenfiguren gekrönt.
»So, da sind wir schon.« Schwester Cecilia trat neben den Altar und schaltete einen großen Radiator ein. Während er warm wurde, sagte sie, dass sie ihre Arbeit gern hier fortsetzen würde, wenn Constable Havers nichts dagegen habe. Auch der Hauptaltar müsse in Ordnung gehalten werden; die Kerzenleuchter und der Marmor poliert, das Retabel abgestaubt, die Altardecke ausgetauscht werden. »Aber Sie sollten sich an das Öfchen setzen, Kind, die Kälte dringt hier durch alle Ritzen.«
Als die Nonne wieder zum Poliertuch griff, sagte Barbara, dass sie mit einer Nachricht gekommen sei, die Schwester Cecilia wahrscheinlich traurig machen werde. Man habe ihren Namen in mehreren Lebensbeschreibungen katholischer Heiliger gefunden ...
»Nun, das ist doch angesichts meiner Berufung hoffentlich keine Überraschung«, meinte Schwester Cecilia, während sie die Kerzenleuchter aus Messing vom Altartisch nahm und vorsichtig neben Barbara auf den Boden stellte. Sie faltete die Altartücher, hängte sie über die reich verzierte Chorschranke und holte Putzlappen und Politur aus ihrem Eimer.
Barbara berichtete ihr, dass man die erwähnten Bücher im Besitz einer Frau gefunden hatte, die am vergangenen Abend ums Leben gekommen war. Und in einem der Bücher hatte sich ein Brief befunden, der von Schwester Cecilia geschrieben war.
»Die Frau hieß Eugenie Davies«, erklärte Barbara.
Schwester Cecilia hielt in ihrer Arbeit inne. »Eugenie?«, sagte sie. »Oh, das tut mir Leid. Ich habe allerdings seit Jahren nichts mehr von ihr gehört, der armen Seele. Ist sie plötzlich gestorben?«
»Sie ist ermordet worden«, sagte Barbara. »In West Hampstead. Auf dem Weg zu einem Mann namens J. W. Pitchley, der früher James Pitchford hieß.«
Langsam wie eine Taucherin in einer starken, kalten Strömung bewegte sich Schwester Cecilia zum Altar. Sie verrieb mit kleinen Kreisbewegungen etwas Politur auf dem Marmor, wobei sie lautlos betete oder monologisierte.
»Wir haben erfahren«, fuhr Barbara fort, »dass die Mörderin
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