11 - Nie sollst Du vergessen
fragte Lynley.
»Das wird schon noch rauskommen. Sie können mir nicht erzählen, dass sie zwanzig Jahre im Knast war, ohne diese oder jene nützliche Verbindung zu knüpfen.«
»Sie meinen, sie kennt jemanden mit so einem alten Wagen?«
»Worauf Sie sich verlassen können. Eine meiner Beamtinnen überprüft im Augenblick weitere Personen wegen des Wagens«, sagte Leach mit einem Nicken zu einer jungen Frau, die an einem der Computer im Zimmer saß. »Sie überprüft jeden Namen, der in irgendeinem Bericht erwähnt wurde. Die Gefängnisunterlagen werden wir uns auch noch beschaffen und dann sämtliche Leute unter die Lupe nehmen, mit denen die Wolff im Knast Kontakt hatte. Das können wir erledigen, während wir sie zur Vernehmung hier haben. Wollen Sie Ihren Mann anpiepsen und ihm Bescheid geben? Oder soll ich es tun?« Leach rieb sich geschäftig die Hände.
Die Beamtin am Computer stand in diesem Moment auf, ein Blatt Papier in der Hand. Sie sagte: »Ich glaube, ich hab den Wagen, Sir«, und Leach stürzte mit einem begeisterten: »Genial. Gut gemacht, Vanessa«, zu ihr hin. »Also, was haben wir?«, fragte er.
»Einen Humber«, antwortete sie.
Das genannte Fahrzeug war eine Nachkriegslimousine, die zu einer Zeit hergestellt wurde, als das Verhältnis zwischen Benzinverbrauch und gefahrenen Kilometern den Autokäufer nur in zweiter Linie interessierte. Der Humber war kleiner als ein Rolls-Royce, Bentley oder Daimler - und lange nicht so teuer -, aber größer als der Durchschnittswagen, den man heute auf den Straßen sah. Und während das moderne Auto aus Aluminium und Metalllegierung hergestellt wurde, um ein möglichst niedriges Gewicht und damit Sparsamkeit im Verbrauch zu erzielen, war der Humber ein Ungetüm aus Stahl und Chrom, vorn mit einem raubgierigen Kühlergrill, der sich so ziemlich alles - von geflügelten Insekten bis zu kleinen Vögeln - aus der Luft griff.
»Hervorragend«, sagte Leach.
»Und wem gehört der Wagen?«, fragte Lynley.
»Einer Frau«, antwortete Vanessa. »Sie heißt Jill Foster.«
»Richard Davies' Verlobter?« Barbara Havers sah Lynley an. Ein Lächeln breitete sich auf ihrem Gesicht aus. Sie sagte: »Das ist es. Verdammt noch mal, das ist es, Inspector. Als Sie gesagt haben -«
Doch Lynley ließ sie nicht ausreden. »Jill Foster? Das kann ich mir nicht vorstellen, Havers. Ich habe die Frau kennen gelernt. Sie ist hochschwanger. Sie kann das unmöglich getan haben, sie wäre gar nicht fähig dazu. Und selbst wenn, warum sollte sie es auf Kathleen Waddington abgesehen haben?«
Havers sagte: »Sir -«, und wurde wieder unterbrochen.
Von Leach diesmal. »Dann muss es einen zweiten Wagen geben. Noch ein anderes altes Modell.«
»Halten Sie das wirklich für wahrscheinlich?«, fragte die Beamtin zweifelnd.
»Piepsen Sie Nkata an«, sagte Leach zu Lynley. Und zu Vanessa:
»Besorgen Sie uns die Gefängnisunterlagen von Katja Wolff. Wir müssen sie durchforsten. Es muss einen Wagen geben -«
»Moment mal!«, rief Barbara heftig. »Das kann man doch auch ganz anders sehen, Herrschaften! Hören Sie mir nur mal einen Augenblick zu. Er hat Pytches gesagt. Richard Davies, meine ich. Er sagte nicht Pitchley oder Pitchford, sondern Pytches.« Emphatisch packte sie Lynley beim Arm. »Sie haben mir doch erzählt, dass er Pytches gesagt hat. Als wir vorhin im Cafe saßen. Sie sagten, dass in Ihren Aufzeichnungen Pytches steht. Von dem Gespräch mit Richard Davies, richtig?«
»Pytches?«, fragte Lynley. »Was hat Jimmy Pytches damit zu tun, Havers?«
»Es war ein Versprecher, verstehen Sie!«
»Constable«, raunzte Leach ungeduldig, »was, zum Teufel, quasseln Sie da?«
Barbara ließ sich nicht beirren. Zu Lynley gewandt, fuhr sie fort: »Richard Davies wäre so ein Versprecher bestimmt nicht unterlaufen, wenn er gerade erst erfahren hätte, dass seine geschiedene Frau ermordet worden war. Er hätte in diesem Moment gar nicht wissen können, dass J. W. Pitchley mit Jimmy Pytches identisch war. Er hätte vielleicht wissen können, dass James Pitchford Jimmy Pytches war, ja, aber er hat ihn in Gedanken bestimmt nicht Pytches genannt, er hat ihn doch nie als Pytches gekannt, warum, zum Teufel, sollte er ihn im Gespräch mit Ihnen so nennen, wo Sie selbst doch zu dem Zeitpunkt gar nicht wussten, wer Pytches war. Warum sollte er ihn überhaupt bei diesem Namen nennen, hm? Das hätte er nie getan, wenn er den Namen nicht präsent gehabt hätte, weil er das Gleiche getan hatte wie ich:
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