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11 - Nie sollst Du vergessen

11 - Nie sollst Du vergessen

Titel: 11 - Nie sollst Du vergessen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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schon in wenigen Minuten die Bahnpolizei hier erscheinen würde. Ich kletterte zur Fußgängerbrücke hinunter und ging auf meinen Vater zu. Als ich nahe genug war, packte er mich, als wollte er mich vor einem Sturz in den Abgrund retten. Er hielt mich an sich gedrückt, und ich spürte den hämmernden Schlag seines Herzens. Ich glaubte nichts von dem, was er mir bisher gesagt hatte, aber ich war bereit, ihn anzuhören und zu versuchen, hinter die Fassade zu sehen, die er errichtet hatte, um zu erkennen, was die Wahrheit war.
    Er sprach in einem einzigen hastigen Wortschwall und ließ mich dabei die ganze Zeit nicht los. Katja Wolff, die glaubte, ich - und nicht mein Vater - hätte Sonia ertränkt, war sich augenblicklich bewusst gewesen, dass sie einen großen Teil der Verantwortung an dem Unglück trug, weil sie Sonia allein gelassen hatte. Wenn sie bereit sei, die Schuld auf sich zu nehmen - indem sie sagte, sie habe Sonia nur eine Minute aus den Augen gelassen, um einen Anruf entgegenzunehmen -, würde mein Vater sich erkenntlich zeigen. Er würde ihr für diesen Dienst an seiner Familie zwanzigtausend Pfund bezahlen. Und für den Fall, dass ihr wegen Fahrlässigkeit der Prozess gemacht werde, würde er auf diesen Betrag für jedes Jahr, das ihr genommen würde, weitere zwanzigtausend Pfund drauflegen.
    »Wir wussten nicht, dass die Polizei wegen Mordes gegen sie ermitteln würde«, sagte mein Vater nahe an meinem Ohr. »Wir wussten nichts von den verheilten Frakturen am Körper deiner Schwester. Wir wussten nicht, dass sich die gesamte Boulevardpresse so gierig auf diese Geschichte stürzen würde. Und wir wussten nicht, dass Bertram Cresswell-White so gnadenlos gegen sie vorgehen würde, als hätte er eine zweite Myra Hindley vor sich. Bei einem normalen Verlauf der Dinge hätte sie vielleicht eine Bewährungsstrafe wegen Fahrlässigkeit bekommen oder allerhöchstens fünf Jahre Haft. Aber es ging alles schief. Und als der Richter wegen der Misshandlung zwanzig Jahre empfahl, war es zu spät.«
    Ich trat von ihm weg. Wahrheit oder Lüge?, fragte ich mich und sah ihm forschend ins Gesicht.
    »Wer hat Sonia misshandelt?«
    »Niemand«, antwortete er.
    »Aber die Knochenbrüche -«
    »Sie war zart, Gideon. Sie hatte ein zerbrechliches Knochengerüst. Das war Teil ihres Krankheitsbilds. Katjas Verteidiger haben das vorgetragen, aber Cresswell-White hat ihren Gutachter in Fetzen gerissen. Es lief rundherum schlecht. Es ging alles schief.«
    »Warum hat sie dann nicht selbst zu ihrer Verteidigung ausgesagt? Warum hat sie nicht mit der Polizei gesprochen? Oder mit ihren eigenen Anwälten?«
    »Das war Teil der Vereinbarung.«
    »Ah ja?«
    »Zwanzigtausend Pfund, wenn sie schwieg.«
    »Aber du musst doch gewusst haben -«
    Was denn?, dachte ich. Was muss er gewusst haben? Dass ihre Freundin Katie Waddington unter Eid nicht lügen, nicht ein Telefonat bestätigen würde, das sie nie geführt hatte? Dass Sarah-Jane Beckett sie ins schlechtestmögliche Licht rücken würde? Dass der Anwalt der Krone sie der Kindesmisshandlung anklagen und als den Teufel in Person hinstellen würde? Dass der Richter eine drakonische Strafe empfehlen würde? Was genau hätte mein Vater wissen müssen?
    Ich schob seine Hände weg, die mich immer noch festhielten, und trat den Heimweg zum Chalcot Square an. Er folgte mir schweigend. Aber ich spürte seinen Blick auf mir. Ich spürte, wie er sich in mich hineinbrannte. Er hat das alles erfunden, dachte ich. Er hatte zu viele Antworten zu schnell parat gehabt.
    »Ich glaube dir nicht, Dad.«
    »Warum sonst hätte sie geschwiegen?«, konterte er.
    »Oh, diesen Teil glaube ich dir«, erwiderte ich. »Den Teil mit den zwanzigtausend Pfund glaube ich. Du wärst bereit gewesen, ihr das zu bezahlen, um mich vor Schaden zu bewahren. Und um Großvater zu verheimlich, dass dein abartiger Sohn deine abartige Tochter ertränkt hatte.«
    »Aber so war es nicht!«
    »Wir wissen beide, dass es so war.« Ich wandte mich ab, um ins Haus zu gehen.
    Er packte mich beim Arm. »Würdest du deiner Mutter glauben?«, fragte er mich.
    Ich wandte mich um. Er sah zweifellos die Frage, die Ungläubigkeit und das Misstrauen in meinem Gesicht, denn er fuhr zu sprechen fort, ohne auf eine Antwort von mir zu warten.
    »Sie ruft mich regelmäßig an. Seit der Sache in der Wigmore Hall ruft sie mindestens zweimal die Woche an. Sie hat gelesen, was geschehen ist, und ruft seither immer wieder an. Ich werde dich mit ihr

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