1101 - Die Rache des Griechen
zurückzuhalten. Es war in seiner Lage auch verständlich, daß er das rationale Denken verlor. Hier ging es um sein eigen Fleisch und Blut.
Der Grieche mit dem schlohweißen Haar hatte sich kaum verändert. So wie wir ihn jetzt sahen, hatten wir ihn auch kennengelernt, aber unser Erscheinen hatte ihn durcheinandergebracht. Es war ihm gelungen, Bill auszuschalten, er selbst jedoch wußte im Moment nicht, wie er sich verhalten sollte.
Er schaute sich um.
Johnny war wichtig.
Er war der Trumpf. Das wußten auch wir, und deshalb war er unser Ziel.
Dann hörten wir seine Stimme. Sie überschlug sich fast, sie warnte uns und wies uns zugleich den Weg.
»Das Buch, John! Das Buch - bitte! Vernichte es!«
Ich sah nicht, was Suko tat. Es war mir auch egal. Johnny hielt sich länger hier unten auf. Er wußte, wie sich die Dinge zusammensetzten, und wußte auch, was zu tun war.
Bevor Leonidas sich versah, war ich an ihm vorbei. Ich hielt das Kreuz schon in der Hand, bevor ich die erste Stufe der Treppe erreicht hatte.
Auf der untersten Stufe lag das Buch aufgeschlagen. Aber die Seiten bestanden nicht aus Papier, sondern aus Stein. Darüber wunderte ich mich nicht, ich tat einfach das, was Johnny mir geraten hatte.
Ich legte das Kreuz in die Mitte, so daß es die beiden Seiten berührte.
Und es ließ mich nicht im Stich!
***
Plötzlich rasten die Schmerzen durch Johnnys Körper. Er hatte das Gefühl, verbrennen zu müssen. Feuer in seiner Brust, gebildet aus zuckenden und blitzartigen Strahlen, die sich aus dem Buch gelöst hatten und in seinen Körper gedrungen waren. Er schrie.
Sein Kopf schlug hin und her.
Helles Licht rahmte das Buch ein. Das Böse entkam ihm, und Johnny sah, wie es zerfiel.
Aus Stein wurde Asche, und auch der Druck an seiner Hand löste sich.
Gleichzeitig hörte er das Knirschen, drehte den Kopf und sah die Risse in der Gestalt des Engels. Dunkle Muster, die zickzackartig in das Gestein geschnitten worden waren.
Azraels Erbe verging. Das Böse floh.
Und Johnny war frei. Er konnte kaum glauben, daß der Druck nicht mehr vorhanden war. Er ging einen Schritt zur Seite, übersah die Stufenkante und stolperte.
Während Johnny fiel, sah er Leonidas. Der Grieche war wie von Sinnen.
Er kümmerte sich um keinen seiner Feinde mehr. Er rannte in wilder Hast auf den Engel zu, und genau dort, wo er sich die Scherben in den Körper gesteckt hatte, zuckten rote Strahlen hervor, die sich in der Luft auflösten.
Aristoteles Leonidas wollte den Erfolg seiner Arbeit retten. Er rannte auf das Erbe des Azrael zu und umarmte die Statue.
»Nicht bewegen!« brüllte Bill.
Johnny preßte sich gegen den Boden.
Sein Vater kniete.
Er war verletzt, er blutete, aber das hielt ihn nicht davon ab, die Goldene Pistole mit beiden Händen zu halten und abzudrücken…
***
Es war kaum etwas zu hören. Ich hockte zusammen mit Suko neben dem Buch und hielt mein Kreuz fest, und ich vernahm nur einen Laut, als hätte jemand einen Gummikorken aus der Öffnung einer Flasche gezogen.
Die Ladung war unterwegs.
Sie flog längst nicht so schnell wie eine Kugel, und sie sah aus wie ein gelber Klumpen aus Schleim. Kein Mensch der Welt hätte die Ladung als gefährlich eingestuft. Trotzdem war dieser Inhalt der Goldenen Pistole so etwas wie ein ultimatives Vernichtungsmittel, das so gut wie keine Gegenwaffe akzeptierte.
Der Schleimklumpen traf dort, wo Bill gezielt hatte. Leonidas hielt die Figur des bösen Engels umklammert wie einen allerletzten Rettungsanker.
Er greinte dabei wie ein kleines Kind und merkte kaum, daß ihn der Schleim traf.
Der aber breitete sich aus - und gab zugleich etwas von seiner immensen und mörderischen Kraft ab, gegen die Mensch und Statue absolut machtlos waren.
Ich kannte die Funktion der Waffe, und sie enttäuschte mich auch diesmal nicht.
Der Schleim breitete sich aus und nahm dabei eine völlig neue Form an, die mir nicht unbekannt war. Er wurde zu einem großen Oval, ein Riesenei, dessen Inhalt aus dem Griechen und der Statue bestand.
Es gab keine Chance mehr.
Die Magie des Schleims, der vom Planet der Magier stammte wie auch die Goldene Pistole, sorgte für die absolute Vernichtung. Bill Conolly hatte es geschafft und sich trotz der Verletzung auf die Beine gequält. Er ging noch nicht zu seinem Sohn, denn er hatte Leonidas noch etwas zu sagen, obwohl er nicht einmal wußte, ob der Grieche ihn überhaupt hörte.
»Du hast unsere Familie auslöschen wollen, Leonidas. Du hättest uns
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