1101 - Die Rache des Griechen
gefoltert. Du wolltest meinem Sohn die Finger abschneiden, aber du hast es nicht geschafft. Ich habe geschworen, dich zu töten, als ich davon hörte, und ich habe den Schwur gehalten. Die Hölle von Sodom wird mit dir und dem Engel vergehen. Keine Chance hast du mehr, Leonidas, keine…« Seine Stimme versagte. Es hätte auch keinen Sinn gehabt, Leonidas noch mehr Worte entgegenzuschleudern, denn ihm war es nicht mehr möglich, sich aus dem Oval zu befreien.
An den Innenwänden hatte sich der Schleim angesammelt. Besonders stark in der oberen Rundung des tödlichen Eis. Dort hielt sich der Schleim noch lange. Er mußte den Gesetzen der Erdanziehung folgen und fiel in dicken Tropfen nach unten.
Leonidas konnte ihm nicht entgehen.
Jeder Tropfen war wie eine tödliche Verletzung. Er und auch die Statue lösten sich durch die unheimliche Kraft des Schleims auf. Er war stärker als die schlimmste Säure der Welt, denn nicht nur die Kleidung verging, sondern auch die Haut, bevor die hellen Knochen, das verschmierte Blut und die Adern zum Vorschein kamen. Das Fleisch fiel in Stücken ab und klatschte in den See hinein, der sich um die Füße der beiden gebildet hatte.
Ich schaute nicht hin. Das überließ ich Bill. Zusammen mit Suko kümmerten wir uns um Johnny. Das Kreuz lag nicht mehr auf dem Buch.
Es hätte auch keinen Widerstand mehr gehabt und inmitten eines kleinen Aschehaufens gelegen.
Wir hoben den Jungen an. Wir sahen, daß er an der rechten Hand blutete. Den Schnitt entdeckten wir in Höhe des Daumenansatzes am Handballen. Erst jetzt wurde uns klar, welches Glück der Junge gehabt hatte, der von Suko gehalten wurde, weil mir möglicherweise noch eine Aufgabe bevorstand.
Bill saß jetzt am Fuß der Treppe. Das Gesicht meines Freundes war verzerrt. Den Ausdruck in seinen Augen konnte ich nicht deuten. Bill schien mit seinen Gedanken weit weg zu sein. Doch er ließ keinen Blick von diesem mörderischen Oval, das nicht nur den Körper des Menschen auflöste, es vernichtete auch die Statue des verdammten Engels, auf den Leonidas seine Hoffnung gesetzt hatte. Johnny würde uns sicherlich mehr darüber sagen können.
Aristoteles Leonidas stand nicht mehr auf seinen eigenen Beinen. Er war in die Knie gesackt, aber sein Unterkörper befand sich bereits in der Auflösung, und von oben fielen immer mehr Tropfen nach. Sie klatschten auf seinen Kopf, der keine Ähnlichkeit mehr hatte mit dem, den wir kannten.
Die Haare hatten sich längst aufgelöst. Wie das Fleisch und die Haut.
Ein scheußlicher Knochenschädel bewegte sich hinter der dünnen Wand, die selbst Granaten und Gewehrkugeln standhielt.
»John…«
»Ja, Bill?«
Ich hörte ihn kichern. »Er hat es nicht geschafft, John. Er hat es nicht geschafft, unsere Familie zu vernichten. Seine verdammte Rache ist ihm mißlungen.«
»Und Johnny lebt.«
»Ja, ich schließe ihn gleich in die Arme. Aber zuvor muß ich den Schleim noch vernichten.«
»Tu das.«
Es gab einen kleinen Abzug unter dem normalen der Goldenen Pistole.
Bill drückte ihn, und der winzige Pfeil raste in die Haut hinein. Sie schaffte das, was schwere Waffen nicht fertigbrachten. Das tödliche Oval wurde zerstört. Es platzte wie eine große Blase und zurück blieb das, was der Schleim noch von Leonidas und der Statue übriggelassen hatte. Ein ekliger Rest…
***
Suko hatte Johnnys Hand so gut wie möglich mit seinem Taschentuch verbunden. Bill kümmerte sich noch nicht um seine Verletzungen, und auch ich half ihm noch nicht.
Wichtig war jetzt Johnny!
»Dad!«
Vater und Sohn konnten ihre Tränen nicht zurückhalten. Es mußte sein, es war menschlich. Sie hatten eine Hölle durchgemacht, wenn auch jeder auf eine andere Art und Weise.
Ich klatschte mich mit Suko ab. Wir lächelten, zwinkerten uns zu und wußten beide, daß wir es mal wieder geschafft hatten, eine Bedrohung aus der Welt zu schaffen…
***
Etwas später gab es woanders ebenfalls Tränen. In London, im Haus der Conollys, wo Sheila den Anruf ihres Sohnes entgegengenommen und erfahren hatte, daß bis auf einige Kleinigkeiten alles wieder in Ordnung war.
Mit Bill sprach sie auch noch kurz, dann waren die Tränen stärker, die einfach strömen mußten.
So nahm schließlich Jane Collins den Hörer und erfuhr durch Suko und mich, daß Leonidas nicht mehr lebte und wir so schnell wie möglich zurück nach London kehren wollten…
ENDE des Zweiteilers
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