1105 - Das Siegelschiff
Verrichtungen zu erledigen", sagte Eric Weidenburn.
Unterdessen hatte sich der Armadaschlepper der „brodelnden" Wolke aus anfliegenden, sich sammelnden und wieder abfliegenden Raumschiffen weiter genähert. Auf den Orterschirmen löste die Wolke sich allmählich in Einzelobjekte auf, und es wurde auch ersichtlich, daß ihre gegenseitigen Abstände größer waren, als es zuerst ausgesehen hatte.
Eric versuchte, die räumliche Ausdehnung der Wolke abzuschätzen und kam auf einen Wert, der ungefähr dem Teil des Solarsystems von SOL selbst bis zur Jupiterbahn entsprach. Das war zwar viel, aber es überstieg das Vorstellungsvermögen eines Menschen des Hanse-Zeitalters nicht.
Dennoch wuchs Erics Erregung, mit der er dem Anblick des Armadasiegelschiffs entgegensah. Er erkundigte sich mehrmals bei seinem Betreuer danach, aber der Roboter wies jedesmal darauf hin, daß die Ortung das Siegelschiff noch nicht erfaßt hatte.
Als der Schlepper in die Wolke einflog, deutete er auf einen Reflexpunkt auf einem der Orterschirme.
„Das ist das Armadasiegelschiff", erklärte er.
„Ich will es genau sehen, nicht nur seinen Ortungsreflex!" erwiderte Eric. „Schalte auf Ausschnittvergrößerung!"
„Die Entfernung ist noch zu groß für die relativ leistungsschwachen Hypertaster dieses kleinen Armadaschleppers", entgegnete der Roboter. „Du mußt dich noch etwas gedulden, Eric Weidenburn."
„Ja, natürlich", sagte Eric.
Er zügelte seine Ungeduld, auch wenn es ihm schwerfiel, denn der Armadaschlepper hatte seine Geschwindigkeit herabgesetzt und näherte sich dem Armadasiegelschiff nicht mehr geradlinig, sondern in einer Art Spirale mit unterschiedlich großen Windungen.
Doch endlich nahte der sehnsüchtig erwartete Augenblick.
Auf einem der Orterschirme schälten sich die Umrisse eines Gebildes aus der Tiefe des Alls, das weniger durch gigantische Ausmaße als durch seine Form und vor allem durch das, was nicht von ihm zu sehen war, beeindruckte.
Eine Wolke unglaublich dichten kosmischen Staubes hing dunkel und mysteriös im Weltraum, undurchdringlich für Ortungsimpulse und jedes Licht verschluckend - und aus ihrer Unterseite ragte ein sich schwach nach unten verjüngender massiver Körper, der im Licht der Scheinwerfer und Positionslampen zahlreicher Raumschiffe, Armadaschlepper und Beiboote dunkel wie schmutziges Altsilber schimmerte. Dieser Körper saß wie mit einem gigantischen Messer abgeschnitten auf einer gewaltigen Scheibe aus demselben Material.
Vom Mittelpunkt dieser Scheibe ragte etwas im geschätzten Winkel von hundertzwanzig Grad abwärts, das aus menschlicher Sicht an eine Treppe erinnerte - allerdings an eine Treppe für Titanen. Ihre Größe ließ sich daran ermessen, daß Dutzende von Armadaschleppern aller Größenordnungen an ihren Stufen angelegt hatten. Demnach mußte sie an ihrem unteren Ende mehr als tausend Meter breit sein und auch tausend Meter lang, wobei sie sich nach oben bis auf eine Breite von etwa fünfhundert Metern verjüngte.
Je näher der Armadaschlepper mit Eric dem Gebilde kam, desto mehr Einzelheiten enthüllte der Bildschirm dem Terraner. Er sah, daß ein überdimensionales Schleusentor vor dem oberen Ende der Treppe zirka zweihundert Meter hoch aufragte und daß die Treppe sechsundzwanzig Stufen besaß, von denen jede mindestens hundert Meter hoch und vierzig Meter breit war.
Er sah auch, daß die Scheibe, die den eigentlichen Körper des Armadasiegelschiffs trug (oder die an ihm hing) oval geformt war und eine größte Breite von dreieinhalb Kilometern haben mußte. Auf ihr landeten weder Raumschiffe noch andere Beiboote, sondern ausschließlich Armadaschlepper beziehungsweise Goon-Blöcke, von denen auch sehr viele an der Außenhülle des Siegelschiffs hafteten. In dieser Außenhülle gab es zudem mehrere verschieden große und tiefe Einbuchtungen, aus denen Gruppen durchschnittlich zweihundert Meter hoher Säulen gleich gebündelten riesigen Orgelpfeifen ragten - und von jenen Säulengruppen ging ab und zu ein gespenstisches energetisches Wetterleuchten aus.
Die meisten dieser Details erfaßte Erics Bewußtsein jedoch nur nebenbei, denn er war vom Gesamteindruck der Erscheinung zutiefst erschüttert. Das Armadasiegelschiff erschien ihm wie die Verkörperung eines Mythos, der die Sagen von allen Göttern, Helden, Dämonen und Ereignissen der Urzeit in sich vereinigte, die denkendes Leben im gesamten Kosmos jemals hervorgebracht hatte.
Eric spürte, wie etwas von ihm
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