1105 - Glendas Totenhemd
sahen einmal, als wir freie Sicht hatten, endlich die angestrahlte und beleuchtete Tower Bridge.
Dieses Bild verschwand sehr bald, als ich nach Westen abbog, um in die Gegend zu fahren, in der wir den Laden fanden.
Es war mehr ein Kriechen als ein Fahren. Die Gegend war ruhig. Hin und wieder sahen wir ein Lokal, ein Restaurant oder einen Pub, und als wir wieder an einem Restaurant vorbeifuhren, in dem man indonesisch essen konnte und dessen Reklame über unsere Gesichter strahlte, deutete Glenda nach vorn und sagte: »Dahinten an der Kreuzung muß der Laden irgendwo sein.«
»Okay.«
An der bezeichneten Stelle fuhr ich nach links ab. Hohe Häuser standen an der linken Seite. Die gegenüber waren flacher und wiesen auch zwei Baulücken auf.
Geschäfte gab es hier ebenfalls, aber einen Secondhandshop entdeckten wir nicht. Dafür fanden wir - welch ein Zufall - tatsächlich eine Parklücke.
Ich rangierte den Rover hinein. Wir stiegen aus und merkten sofort die kleinen Tropfen, die gegen unsere Gesichter schlugen, denn es begann zu nieseln.
»Auch das noch«, stöhnte Glenda.
»Willst du nachschauen oder im Wagen bleiben?«
»Wenn wir schon mal hier sind und es finden, bin ich dabei.«
»Na dann.«
Wir fanden es nicht. Die Hausnummer schien nicht zu stimmen. Aber nicht weit entfernt leuchtete die Reklame eines Imbisses. Das gelbe Licht fiel wie ein Schleier auf den Gehsteig.
Fish und Chips wurden in allen möglichen Variationen angeboten, aber es gab auch Sandwichs und Hot dogs zu kaufen. Der Laden war sehr steril und auch hell wie eine ausgeleuchtete Filmszene. Es bedienten zwei Männer, die helle Mützen trugen, und ich erkundigte mich nach dem Geschäft.
»Da müssen Sie wieder etwas zurück. Fast bis zur Ecke. Da gibt es dann eine Durchfahrt. Im Hinterhof verkauft Isabella ihre Klamotten.«
»Kennen Sie die Frau?«
Der Mann mit der hellen Mütze und der dunklen Haut nickte. »Klar, sie ist eine gute Kundin von uns und holt hier oft ihr Essen. Eine patente Frau.«
»Danke sehr.«
Glenda war nicht begeistert davon, sich auf einem Hinterhof herumtreiben zu müssen. »Nimm es locker. Wenn wir etwas erreichen, siehst du es ganz anders.«
»Wenn…«
Ich lachte und legte ihr einen Arm um die Schulter. Wie ein Liebespaar gingen wir weiter, lösten uns aber voneinander, als wir den Beginn der Einfahrt erreicht hatten.
Vor uns lag ein nicht sehr langer, aber durchaus dunkler Tunnel. Auf dem Hinterhof selbst brannte kein Licht. Die Helligkeit, die sich dort schwach verteilte, fiel aus den Fenstern der Wohnungen und erreichte kaum den Boden.
Glenda blieb dicht an meiner Seite. Sie schaute mißtrauisch in die Runde. Es war sehr dunkel hier, und die Schatten schienen an den Wänden des Durchgangs zu kleben.
Unter unseren Füßen wellte sich das alte Pflaster und wurde vom flachen Asphalt auf dem Hinterhof abgelöst. Jetzt sahen wir auch den Anbau. Er schob sich wie ein kantiger Stummel in den Hof hinein; er war dunkel und wirkte bedrohlich.
Glenda blieb stehen. Sie zog die beiden Seiten ihrer Jacke zusammen, rümpfte die Nase und meinte:
»Das Ding da sieht mir nicht danach aus, als wäre noch jemand im Laden.«
»Kontrolle ist immer besser!« erwiderte ich.
Ob hinter den Fensterscheiben des Anbaus kein Licht brannte oder ob sie von innen abgedunkelt waren, fanden wir nicht heraus. Aber wir sahen ein helles Schild, recht groß sogar und vom Schein einer Lampe angestrahlt.
Auf dem Schild stand der gleiche Text wie auf der Visitenkarte. Wir waren also richtig.
Glenda entfernte sich von mir und blieb vor einem der Fenster stehen. Ich schaute mich im Hof um.
Es war alles ruhig. Die Rückfronten der Häuser standen dicht an dicht. Hinter mancher Fensterscheibe bewegte sich jemand, aber es liefen auch zahlreiche Glotzen.
»Da ist es hell, John!« flüsterte Glenda mir zu. »Könnte sein, daß diese Isabella noch im Geschäft ist.«
»Bist du sicher?«
»Zu sehen ist sie nicht.«
Ich hatte Glenda mittlerweile erreicht und blieb ebenfalls stehen. Das Fenster lag dicht vor uns. Es war von innen abgedunkelt worden. Ein leicht gewellter Vorhang nahm uns die Sicht. Leider war auch nichts zu hören, und den Umriß eines sich bewegenden Menschen sahen wir auch nicht.
»Und nun?«
Ich verzog die Lippen. »Es ist deine Bekannte, Glenda.«
»Hör auf, du Feigling.«
»Wir gehen rein. Anklopfen oder klingeln.« Ich tippte sie an. »Komm, laß uns nach dem Eingang schauen.«
»Den kenne ich.«
»Warst du schon
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