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1105 - Glendas Totenhemd

1105 - Glendas Totenhemd

Titel: 1105 - Glendas Totenhemd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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tot?
    Isabella senkte den Kopf. Sie stand noch auf dem Wall, aber die Blicke glitten jetzt über jeden Grabstein hinweg, als sollten sie seziert werden.
    Warum rief niemand mehr? Hatte sie bereits genug getan? Wollte man mit ihr nichts mehr zu tun haben?
    Groß war der Friedhof nicht. Der Wall aus Steinen schloß nur ein kleines Gebiet ein. Normalerweise standen auch zu viele Grabsteine dort. Sie behinderte sich gegenseitig und waren manchmal so dicht beisammen, daß sie sich sogar berührten.
    An der Innenseite des Walles rutschte Isabella hinweg und stand schließlich zwischen den Grabsteinen. Der Himmel über ihr zeigte noch immer das Aderwerk aus erstarrten Blitzen. Der rote Schimmer hatte sich auch über ihre Gestalt gelegt, wobei sie nicht einmal wußte, ob sie noch aus Fleisch und Blut bestand.
    Wenn sie die Arme nach vorn bewegte, sah sie nur Schatten, doch keine Haut.
    Dennoch hatte sie das Menschsein behalten. Sie glitt leichtfüßig über den Friedhof hinweg und fand den Weg zielsicher zwischen den Grabsteinen. Auch jetzt fühlte sie sich so leicht, aber weniger beschwingt. Der Zustand konnte nicht mit dem verglichen werden, der entstand, wenn sie etwas Alkoholisches getrunken hatte. Das hier war anders und nicht zu erklären. Es kam ihr der Vergleich in den Sinn, daß sie zwischen dem Diesseits und dem Jenseits schwebte, doch auch das wollte sie nicht unterschreiben. Ein Geist zwischen den Toten, die sie gerufen hatten.
    Da waren sie wieder!
    Plötzlich hörte sie die Stimmen. Diesmal lauter und auch schriller, schon bösartiger.
    »Nein, nein, nein!« Es klang wie ein wildes Kreischen, und es kam von überall her. »Du bist nicht die richtige, verflucht! Du bist es leider nicht. Du kannst uns nicht befreien. Du bist nicht würdig… nicht würdig! Nicht würdig!«
    Immer wieder kreischten die Stimmen die letzten beiden Worte. Sie gellten in den Ohren, sie tobten durch ihren Kopf, als wollten sie Isabella zum Wahnsinn treiben.
    Sie schüttelte den Kopf. Taumelte über den grauen Friedhof, verfolgt vom Schreien der Toten.
    Plötzlich sah sie, daß sich die Grabsteine sogar bewegten. Gesichter erschienen auf den grauen Steinen. Verzerrte und wütende Fratzen, aus denen ihr Haß entgegenströmte.
    Isabella wußte nicht, wohin sie sich wenden sollte. Sie bewegte sich im Kreis. Sie keuchte und fluchte, die Welt um sie herum war zu einem Kreisel geworden, und aus den Fratzen strömten ihr die zischenden Laute der Stimmen entgegen.
    »Nicht würdig! Nicht würdig! Die falsche…«
    Der Friedhof wurde zu einem Gefängnis. Isabella sah keinen Ausweg mehr, ihn zu verlassen. Sie torkelte von einer Seite zur anderen. Sie war gefangen und sah plötzlich die Risse im Boden, aus denen leichter Dampf oder Nebel emporkroch.
    Hände gab es auch. Klauen, etwas gekrümmt, die zu den bösartigen Fratzen paßten.
    »Warum bist du gekommen? Warum du? Du bist nicht würdig, nicht würdig…« Sie kippte zurück, als hätten ihr die Stimmen einen Stoß versetzt. Sogar die Berührung gegen den hohen Grabstein bekam sie mit, obwohl sie nicht mehr aus Fleisch und Blut bestand. In ihrem Kopf bewegte sich etwas. Gedanken wirbelten wild durcheinander und endeten in wilden Schreien.
    Dann passierte es.
    Von hinten her und von der Seite griffen die Krallen mit ihren spitzen Nägeln zu. Zunächst war es nicht schlimm, aber die Krallen bewegten sich und sie drangen dabei auch in die Haut ein. An den empfindlichsten Stellen wurde sie aufgerissen, und Isabella wußte nicht einmal, ob sie in ihrem Zustand blutete.
    Man zerrte sie zurück.
    Man malträtierte sie. Etwas kroch an ihrem Körper mit kleinen, bösen Stichen hoch und erreichte die Kehle, deren dünne Haut ebenfalls aufgerissen wurde.
    Ein Friedhof war ein Platz des Todes und des Sterbens. Isabella wußte, daß auch ihr dies widerfahren würde, wenn sie sich lange dort aufhielt.
    Dann war es soweit.
    Etwas stieß hart und spitz in ihren Nacken, als sollte dieser Gegenstand quer durch ihren Hals jagen, um vorn an der Kehle wieder zum Vorschein zu kommen.
    So weit kam es nicht.
    Plötzlich änderte sich alles. Der Himmel geriet in Bewegung, wobei das dunkle Grau blieben. Die roten Strahlen zuckten hin und her, das Netzwerk löste sich von einem Augenblick zum anderen auf und jagte dabei wie ein Gewebe hinunter auf den Friedhof.
    Sie schrie.
    Nein, nicht sie.
    Es war der Schrei einer anderen Frau, und Isabella öffnete die Augen. Was sie sah, war einfach unwahrscheinlich und auch nicht

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