1108 - Leichengasse 13
es bewegte sich nicht.
»Was ist das?«
»Ein Stück von ihm.«
»Wieso?«
»Du hast den Schuß gehört?«
Fay nickte heftig. »Ja, habe ich.«
Ich berichtete ihr, was geschehen war, und Fay zog die einigermaßen richtigen Schlüsse daraus.
»Dann kann man es mit einer Kugel töten oder verändern?«
»Vielleicht verändern, aber nicht töten.«
»Auf den Gedanken bin ich noch gar nicht gekommen«, gab sie zu. »Das wäre ja…«
»Keine falschen Hoffnungen, Fay. Es geht nicht mit einer normalen Kugel, denke ich mir.«
»Womit denn dann?«
»Geweihtes Silber«, murmelte ich.
Ich wußte nicht, ob sie mich verstanden hatte. Eine Frage stellte sie nicht, aber sie schüttelte leicht den Kopf. Die Geste zeigte, daß sie schon überfordert war.
»Er wird hier wieder erscheinen, John. Deshalb will ich weg.«
»Das ist am besten. Pack ein paar Sachen ein und verlasse diese Gasse. Vielleicht hast du eine Freundin, bei der du Unterschlupf finden kannst.«
Sie zuckte mit den Schultern. »Nicht direkt, aber ich werde das schon schaffen.«
Bevor wir gingen, warf ich noch einen Blick zurück auf den Gullydeckel. Er lag noch immer so, wie wir ihn hingeschoben hatten. Kein Druck mehr von unten, der ihn angehoben hätte. Dieses Wesen hatte sich zurückgezogen.
Fragte sich nur: für wie lange?
***
Fay Waldon betrat ihr Haus nicht mehr mit der gleichen Sorglosigkeit wie üblich. Sie war vorsichtig. Schon im Hausflur, in dem es nächtlich still war, hatte sie sich sorgfältig umgeschaut, aber nichts Verdächtiges entdeckt. Auch in ihrer Wohnung war es leer. Da hatte sich nichts verändert.
Wir gingen durch die Küche auf das Schlafzimmer zu. Ich öffnete die Tür so weit wie möglich und schaute mich im schwachen Licht um. Nein, es gab keine Veränderung. Erst jetzt nahm ich den abgetrennten Platz wahr. Eine Dusche, die mit der Wand abschloß. Sie war sehr klein. Ein Vorhang nahm mir die Sicht in das Innere. Ich zerrte ihn auf, während Fay eine zweite Deckenleuchte einschaltete, so daß es im Zimmer heller wurde.
Es gab keine Spuren, die das Wesen hinterlassen hätte. Sogar in den Abfluß der Dusche leuchtete ich hinein. Es war nur ein leeres, braungraues Loch zu sehen, nicht mehr.
»Wo befinden sich eigentlich die Toiletten?« wollte ich wissen.
»Im Flur.«
Ich verzog den Mund. »Das ist ja wie im letzten Jahrhundert.«
»So alt sind die Häuser schon, John.«
»Gut, Fay, dann pack einige Sachen zusammen. Ich warte in der Küche auf dich.«
»Ja, aber laß die Tür bitte offen.«
»Keine Sorge.«
Am Küchentisch nahm ich Platz und holte das Erbe des Monstrums hervor. Ich legte es auf die Tischplatte. Es sah aus wie ein schief gewachsenes Dreieck. War auch nicht flach und stand mit der Spitze leicht nach oben. Das geweihte Silber hatte für diese Abspaltung gesorgt. Ich ging davon aus, daß dieses Wesen, sollte es über eine gewisse Intelligenz verfügen, jetzt genau wußte, daß durch meine Person ein Feind hier eingetroffen war, der ihm gefährlich werden konnte. Wenn es weiterhin nachdachte, mußte es einfach zu dem Schluß gelangen, daß man Feinde vernichtete, was mir im Prinzip sehr recht war. Besser, es stellte sich auf mich als Gegner ein als auf eine Person, die sich nicht wehren konnte.
Ich hatte Fay nicht gehört. Erst als sie mich ansprach, drehte ich den Kopf.
»Darf ich dich mal stören?«
»Bitte.«
Sie stand an der Tür und nagte an der Unterlippe. »Weißt du, es ist ja viel passiert, und ich bin kaum in der Lage, alles in die Reihe zu bringen, aber mir ist da etwas eingefallen, das uns vielleicht helfen könnte.«
»Dann raus damit!«
»Du hast doch von diesem Mann gesprochen, der seine Haare in die Höhe gekämmt hat.«
»Ja, habe ich.«
»Den kenne ich - glaube ich…«
Ich schaute sie an. »Das ist interessant - weiter.«
»Ach, da ist nicht viel zu sagen. Er wohnt nicht in dieser Straße, aber ich habe ihn schon einige Male gesehen, als er hier war. Er ging einfach nur durch. Er hat mit niemand gesprochen. Er schlenderte auf und ab, schaute sich dabei um - tja, aber geredet hat er nicht. Zumindest nicht mit mir.«
»Sonst weißt du nichts über ihn?«
»Nein.«
»Gut«, sagte ich. »Kann sein, daß wir noch eine Erklärung finden, Fay. Was ist mit deinen Armen?«
»Wenn du die Bemalungen damit meinst, weiß ich noch immer nicht Bescheid. Ich habe sie - ja, und…« Sie schloß für einen Moment die Augen. »Ich denke, daß ich die einzige bin, die sie aufzuweisen hat.
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