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1108 - Leichengasse 13

1108 - Leichengasse 13

Titel: 1108 - Leichengasse 13 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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ab.
    Gelassen, doch auch mit dem nötigen Ernst im Blick schaute sie mich an. Die Arme hatte sie auf den Tisch gedrückt, und ihr Gesicht wirkte innerhalb des Lichtscheins recht schattenhaft. Die Augen blieben ohne Regung. Überhaupt kam mir Fay Waldon vor wie jemand, der sich nicht aus eigenem Willen bewegte, sondern mehr unter einer fremden Kraft stand, vielleicht sogar hypnotisiert war.
    Diese Leichengasse war schon sehr rätselhaft gewesen. Hinzu kam der Mann, der verschwunden war, und jetzt die Frau, die dem Rätsel noch die Krone aufsetzte.
    »Warum bist du gekommen?« flüsterte sie mir zu.
    Ich zuckte mit den Schultern. »Warum hätte ich nicht kommen sollen? Was ist so schlimm daran?«
    »Für mich nichts.«
    »Dann für mich?«
    »Ja.«
    »Kannst du mir das erklären?«
    »Nein«, sagte sie leise. »Aber wir wollen in Ruhe gelassen werden. Wir wollen keine Fremden. Sie sollen wegbleiben. Es ist unsere kleine Welt, in der wir leben.«
    »Das habe ich schon festgestellt«, erwiderte ich. »Aber was geschieht mit Fremden, die hier erscheinen?«
    Sie hob die Schultern an.
    Ich dachte an die beiden Kollegen, die nicht mehr zurückgekommen waren, und fragte deshalb:
    »Verschwinden sie?«
    »Vielleicht.«
    »Wohin?«
    Fay schüttelte den Kopf. »Nein«, sagte sie. »Es ist nicht gut, wenn du alles weißt.« Plötzlich lachte sie hell auf. Von einem Moment zum anderen veränderte sich ihre Stimmung. »Möchtest du etwas trinken, John? Verzeih, ich war sehr unhöflich und…«
    »Nein, danke, ich habe keinen Durst.«
    Das akzeptierte sie nicht. »Komm, das sagst du doch nur so. Natürlich hast du Durst. Jeder Mensch hat Durst, wenn er in der Nacht hierher kommt.« Sie stand mit einer geschmeidigen Bewegung auf und ging auf das Regal zu. Eigentlich hätte sie von ihrem eigenen Schattenbegleitet werden müssen, den jedoch sah ich nicht, was mich wunderte.
    Mein Kreuz trug ich vor der Brust. Ohne daß Fay es sah, tastete ich nach ihm und spürte keine Wärme. Es hatte sich nicht aktiviert und war völlig normal geblieben. Als kühler Gegenstand lag es an meiner Hand. Ich ließ es vor der Brust hängen und drehte mich so, daß ich Fay beobachten konnte.
    Sie war nicht besonders groß. Deshalb mußte sie sich recken, um die oberste Regalreihe zu erreichen, wo Gläser standen und ich auch eine Flasche sah. Ihr gut gebauter Körper zeichnete sich wie ein perfekt gemalter Schattenriß ab, und ich mußte zugeben, daß sie eine verdammt gute Figur besaß.
    Sie hatte die Flasche leicht angetippt, so daß sie über die vordere Regalkante kippen konnte. Fay fing sie auf, lachte dabei leise und nahm aus einem tiefer liegenden Regalfach zwei Wassergläser.
    Sie und die Flasche stellte sie auf den Tisch.
    Fay setzte sich nicht mehr auf die Bank. Sie rückte sich den zweiten Holzstuhl zurecht, blickte mich von der Seite her lächelnd an und zog dabei den Korken aus der Flasche.
    Danach gluckerte das Getränk in die Gläser. Am Geruch erkannte ich, daß es Gin war. Es waren die einzigen Geräusche in der Umgebung. Ansonsten umgab uns eine schon bleierne Stille.
    Fay stand wieder sehr dicht neben mir, so daß sie mich beinahe berührte. Ich sah ihren nackten Arm und wunderte mich etwas über die dunklen Flecken auf der Haut. Ich fragte sie allerdings nicht danach und wartete darauf, daß sie mit ihrer Arbeit fertig war. Sie setzte sich auf den zweiten Stuhl.
    Gelassen schob sie mir ein Glas zu, das sie zu einem Drittel gefüllt hatte.
    »Trink, es wird dir guttun.«
    »Warum sollte ich?«
    »Weil es auch mir guttut.«
    Ich umfaßte das Glas, hob es allerdings nicht an, sondern fragte: »Wie geht es weiter, wenn ich getrunken habe?«
    »Es liegt an dir.«
    »Wieso?« Ich schüttelte den Kopf. »Das verstehe ich nicht. Was kann an mir liegen?«
    »Es gibt noch ein zweites Zimmer«, sagte sie und schabte dabei mit dem Glasrand an ihrer Unterlippe entlang.
    »Das dachte ich mir.«
    Es war wie im Kitschfilm. Ihre Augen erhielten einen verhangenen Blick. »Ein Schlafzimmer.«
    »Ah so. Und weiter?«
    »Verstehst du nicht?«
    Ich lächelte, schaute zu, wie sie das Glas kippte und den Gin langsam trank. Dabei ließ sie mich nicht aus dem Blick, aber ich tat nichts.
    »He, warum sagst du nichts?«
    »Es überrascht mich.«
    Sie stellte das fast leere Glas wieder ab. »Oder habe ich dir nicht gefallen? Bin ich nicht dein Typ?«
    »Das hat nichts damit zu tun.«
    »Womit denn?«
    »Eigentlich bin ich nicht hier, um mich mit jemand zu

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