1109 - Hexenspiele
Er wußte nicht, was die neue Lage zu bedeuten hatte. Von einer dreischwänzigen Peitsche hatte er bisher weder etwas gehört noch gesehen. Und so schaute er zu, wie Suko die Riemen leicht schüttelte.
»Willst du mich auspeitschen?«
»Nein.«
»Ärgern?« Er kam näher. Jetzt langsamer und auch schleichend. »Ich mache dich hier fertig. Man wird nur noch deine Reste finden, verdammter Chinese. Hinter mir steckt die Macht der Hölle. In mir fühlt sich der Geist des Teufels wohl. Er hat mich in der letzten Nacht zu seinem Diener erkoren: ich habe die große Stärke gewonnen, nicht die beiden Weiber mit ihrem Hexenspiel. Und ich werde jeden Widerstand aus dem Weg räumen, das verspreche ich dir, denn mit dir mache ich den Anfang, verdammt noch mal.«
Er sagte nichts mehr, er griff an.
Darauf hatte Suko gewartet, der ein Meister im Umgang mit der Peitsche war. Er hob sie nur kurz an. Vor dem Gesicht des Angreifers spreizten sich die drei Riemen, bevor sie ihm entgegen fielen und ihn trafen.
Bisher war Lou Gannon nicht gestoppt worden. Nicht mit Tritten, auch nicht mit Fäusten. Das hatte sich von einer Sekunde zur anderen geändert. Zwar wurde seine Angriffswucht kaum aufgehalten, aber er geriet ins Taumeln. Er konnte nicht mehr so gezielt zuschlagen. Seine Hände führten unkontrollierte Bewegungen durch, denen Suko leicht ausweichen konnte.
Er sah auch, daß Gannon von einem Riemen quer über das Gesicht getroffen worden war. Dort hatte die Dämonenpeitsche eine breite Spur hinterlassen. Die Haut war aufgeplatzt. In einem langen Streifen drang das Blut aus der Wunde.
Gannon torkelte durch die Gegend. Er schrie nicht. Aus dem Mund drangen finsterte und gurgelnde Laute. Der Teufelsdiener hatte völlig die Orientierung verloren. Er hatte sich gedreht und war zurückgegangen, ohne dabei auf die abgestellten Wagen zu achten. Vielleicht war es ihm auch nicht möglich gewesen.
Er schien blind geworden zu sein. So zumindest bewegte er sich. Er sah keine Hindernisse mehr, auch die abgestellten Wagen nicht, gegen die er schlug. Er ging torkelnd daran entlang und schlug mit seinen Händen auf die Kühlerhauben wie ein Drummer auf seine Trommeln.
Um Suko kümmerte er sich nicht. Der Inspektor hörte ihn heulen und ging langsam auf ihn zu, die Peitsche noch immer schlagbereit in der Hand.
Gannon stoppte. Fiel nach vorn. Landete mit einem gongähnlichen Geräusch auf der Motorhaube eines alten Benz.
Suko stand fast zwei Schritte hinter ihm. Eine angemessene Entfernung, so konnte ihm Gannon nicht so schnell gefährlich werden. Drei Riemen hatten ihn getroffen, aber nur einer hatte in seinem Gesicht eine deutliche Spur hinterlassen.
Gannon schaffte es nicht mehr, so sehr er sich auch bemühte. Er versuchte, sich von der Haube weg in die Höhe zu drücken, doch die Kraft war nicht mehr da. Stückweise schaffte er es, um danach wieder zusammenzubrechen.
Beim dritten Versuch landete er mit seinem Gesicht auf der Kühlerschnauze. Er blieb liegen. Ein Aufstehen war ihm nicht mehr möglich, und Suko griff ein.
Mit der linken Hand umfaßte er den Kragen des Sweatshirts. Der Griff reichte aus, um den schweren Körper zuerst anheben und dann zur Seite drehen zu können.
Der ehemalige Catcher und jetzige Teufelsdiener lag rücklings auf der Haube.
Mochte die Kraft des Teufels selbst irrsinnig stark sein, der Höllenherrscher hatte sich nicht auf den Menschen übertragen, sondern nur einen Teil davon, und der hatte gegen die Dämonenpeitsche nichts ausrichten können.
Der Riemen hatte nicht nur eine Furche in das Gesicht gezogen. Er hatte die schwache teuflische Magie auch auf eine andere Art und Weise zerstört.
Lou Gannon besaß keine Augen mehr.
An deren Stelle waren schwarze Löcher zu sehen, was auch nicht ganz stimmte, denn aus ihnen sickerte eine Flüssigkeit hervor wie dicke Tinte.
Für Suko war klar, was passiert war. Die Magie hatte sich auf die Augen konzentriert, aber die Macht der Peitsche hatte das verdammte Höllenfeuer darin gelöscht.
Und zudem die Augen zerstört!
Die Masse, die Pupille, alles was zu einem normalen menschlichen Auge gehörte, gab es nicht mehr so. Es war übergegangen in diese dunkle Flüssigkeit, die jetzt an den Wangen des Mannes herabrann. Er war blind und auch wehrlos geworden. Aber die Peitsche hatte ihn nicht zerstört, wie es bei normalen Dämonen der Fall war. Sie hatte ihn fürs Leben gezeichnet, und es war fraglich, ob er überhaupt überleben würde.
Suko wollte ihn hier
Weitere Kostenlose Bücher