1112 - Elfenrache
Stühle standen in Reih und Glied. Es gab keine Sitze wie sonst. Hier wurde mit minimalen Möglichkeiten versucht, ein Maximum an Kunst zu bieten.
Es herrschte eine schlechte Luft, und das, obwohl der Zuschauerraum leer war. Zumindest sahen Jane und Suko niemand auf einem der Stühle sitzen.
Das Geschehen spielte sich auf der Bühne ab. Zwei Männer arbeiteten dort mit einer jungen Frau zusammen, die in die beiden Kreise der Scheinwerfer hineintrat, schwarze Leggings, hochhackige rote Schuhe und ein schwarzes nabelfreies Top trug. Sie sollte das Gehen üben, aber sie schaffte es nicht, was Rudy Walters zur Verzweiflung brachte.
Es mußte einfach Walters sein, der auf einem Regiestuhl saß und die Hände vors Gesicht geschlagen hatte. »Nein, nein, nein«, rief er jammernd. »Du gehst wie eine Ente, Darling. Ehrlich, aber ich habe dir doch gesagt, wie du es machen sollst. Sogar dreimal vorgemacht!« Beim letzten Wort quietschte seine Stimme.
Jane und Suko schauten sich an. Der Inspektor grinste, während Jane ihr Gesicht verzog. Sie standen noch neben der Bühne, aber direkt vor der kleinen Treppe, die zu den Brettern hochführte.
Darling war stehengeblieben. Sie schaute betrübt aus der Wäsche. Ihre Mundwinkel zuckten. Sie stand dicht vor dem Weinen. Die junge Frau war recht groß. Sie hatte eine gute Figur, war auch nicht zu dünn, aber ihr Gang hatte den Fotografen eben nicht zufriedenstellen können. Er stand von seinem Platz auf und ging kopfschüttelnd auf Darling zu. Er tätschelte ihr die Wangen und sagt:
»Du bist eine nette Pussy, aber so kann ich dich nicht anbieten.«
Sie erwiderte nichts und schaute nur starr an Rudy Walters vorbei. Dem fiel endlich ihr Blick auf. Er drehte sich um und sah die beiden Fremden, die hinter ihm auf der Bühne standen.
Er sagte zunächst nichts, weil er zu überrascht war. Rudy war ein knochiger Typ, er sich seine Haare so gut wie abrasiert hatte. Nur am Übergang zum Hinterkopf wuchsen noch ein paar Strähnen, die verloren wirkten. Rudy hatte dunkle Augen, eine knochige Nase mit breiten Nasenlöchern und einen schmalen Mund, der sich jetzt öffnete. »He, was wollt ihr beiden denn hier? Casting machen?«
»Nein, darauf verzichten wir«, sagte Suko. »Wir wollen mit Ihnen reden, Rudy.«
»Haha, mit mir. Ihr seid wohl von der Henne beleckt. Seht ihr nicht, daß ich schwer arbeiten muß?«
»Das ist relativ und…«
»Raus, raus, raus…« Seine Stimme überschlug sich plötzlich, und ebenso hektisch bewegte er seine Hand. »Ich will euch nicht mehr hier sehen. Laßt euch einen Termin geben. Ruft mich an oder wie auch immer, aber jetzt habe ich zu tun!«
»Wir bleiben.« Suko fächelte ihm mit dem Ausweis vor dem Gesicht herum. Rudy wich zurück, dann schnappte er nach dem Dokument und drehte sich dem Licht zu. Neben den Scheinwerfern hockte ein Jüngelchen, das den Beleuchter spielte und schwindsüchtig aussah. Der Junge nutzte die Pause und biß Stücke von einem Schokoriegel ab.
Rudy Walters drehte sich wieder. Mit spitzen Fingern gab er Suko den Ausweis zurück. »Es tut mir leid«, sagte er, »aber ich wüßte nicht, was ich mit der Polizei zu tun hätte.«
»Sie noch nichts«, sagte Jane. »Nur könnte es sein, daß Sie in Gefahr schweben.«
Wieder fing er an zu kichern. »Ich… ich… soll in Gefahr schweben? Wer will mir denn an die Wäsche - haha…«
»Eine Rächerin.«
»Oh, wie schön, wie im Kino.«
»Das kann Ihr Chef leider nicht mehr sagen«, meinte Suko, »nachdem man ihn ein paarmal mit dem Gesicht auf die Glasplatte seines Büroschreibtisches geschlagen hat und er jetzt schwerverletzt im Krankenhaus liegt, wo Ärzte versuchen zu retten, was noch zu retten ist.«
Rudy hatte zugehört. Er wurde plötzlich sehr still. Und er sah Suko an, daß dieser nicht gelogen hatte. »Sie… ähm… ihr macht doch Witze, wie?«
»Nein. Für einen Witz hätten wir Sie nicht bei der schweren Arbeit gestört. Sie wissen doch, was mit Sharon und auch mit Rick Shuster passiert ist.«
»Ja, ja, schon.«
»Jetzt hat es Ron erwischt.«
»Ich… ähm…«
»Was meinen Sie, wer der nächste sein könnte?« erkundigte sich Jane. »Wir wollen Ihnen keine Angst einjagen, aber es wäre besser, wenn Sie tun, was wir vorschlagen.«
Walters ging darauf nicht ein. Plötzlich bedeckte die Decke des Schweigens die Bühne. Nur Rudy bewegte sich. Er drehte seinen Kopf, schaute sich um und sah Darling und seinen Gehilfen wie zwei Statisten in der Nähe stehen.
»Wa…
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