1114 - Der Pestmönch
ihrer Gewalt?
Ich stand zwischen ihnen. Glenda hatte es da besser. Sie hatte einen Platz hinter der Theke einnehmen können und war relativ weit von ihnen entfernt. Auch sie konnte ihr Entsetzen nicht verbergen. Ebensowenig wie der Koch und die Kellnerinnen, die so aussahen, als wären sie nicht einmal fähig, Atem zu holen.
Ich stand inmitten des Pulks und sah mich auch als Mittelpunkt an. Ich wußte nicht, was sie von mir wollten, aber Zombies griffen Menschen an, ob sie nun die Pest hatten oder nicht.
Für all diesen Schrecken trug ein Mensch die Verantwortung. Es war selten, daß Haß in mir hochstieg. In diesen Augenblicken geschah es. Ich spürte einen irrsinnigen Haß auf diesen verdammten Lorenzo. Ich wollte ihn mir holen, ihm befehlen…
Dazu kam es nicht mehr.
Hinter meinem Rücken hatte sich eine Gestalt so nahe an mich herangeschlichen, daß sie zupacken konnte. Eine schweißfeuchte Hand klammerte sich am Kragen fest. Meine Standfestigkeit war nicht die beste, so konnte mich die Gestalt zurückziehen.
Ich drehte mich dabei.
Der zweite Kopf starrte mich an. Aus einem weit geöffneten Maul hing eine lange, dunkelblau schimmernde Zunge hervor, deren Spitze wie ein Pendel schlug.
Ich nahm das Kreuz.
Damit hackte ich zu. Die Kanten waren zwar gerundet, aber durch die Wucht des Schlages drang das geweihte Metall genau in die Mitte des Schädels.
Wir wehte ein schlimmer Laut entgegen. Ich hatte nicht einmal mitbekommen, aus welchem Maul er gedrungen war, aber das Kreuz verfehlte seine Wirkung nicht.
Wie schon bei Kate Cameron im Krankenhaus, so wurde mir auch hier geholfen.
Der zweite Kopf konnte den Angriff des Kreuzes nicht überwinden. Er zuckte zurück, dann wieder vor. Sein Maul öffnete sich so weit, als sollte es vor meinen Augen auseinandergerissen werden. Ich wußte nicht genau, ob im Schädel Feuer entstand, aber die Folgen davon malten sich schon bei ihm ab.
Die Haut war schon grau gewesen, jetzt wurde sie schwarz. Sie verkohlte ohne Feuer. Die Haut verwandelte sich dabei in eine knisternde Masse, die mich an abgeschabte Holzkohle denken ließ.
Aus ihr hervor glotzten noch die Augen wie kalte Kugeln, bevor auch sie erloschen.
Ich trat trotzdem zurück. Ich drehte mich, ich wollte sehen, ob ich erneut attackiert wurde. Es war nicht der Fall, aber auch Lorenzo war verschwunden.
Statt dessen sah ich Glenda Perkins, die mir hinter dem Tresen heftig zuwinkte. Vielleicht hatte sie einen Ausweg aus der Klemme entdeckt, doch ich kümmerte mich zunächst nicht um sie, weil ich sehen wollte, was mit der Frau geschehen war, deren zweiten Kopf ich zerstört hatte.
Sie lag auf dem Tisch und war kurz davor, abzurutschen. Ob sie noch lebte, war nicht so schnell festzustellen, aber ihre Schulter würde sie kaum noch gebrauchen können. Sie hatte einen breiten und tiefen Brandfleck erhalten.
Der wütende Schrei war nicht zu überhören. Auch nicht die anschließenden Worte, die wie ein Donnerwetter aus dem Mund des Lorenzo drangen. Er war wieder aufgetaucht und hatte sich auf sein Pult gestellt. Er fühlt sich wie der Nachfolger des Teufels oder dessen Vertreter auf Erden. Er war wie von Sinnen. Sein Gesicht war ein einziges Abbild der Gefühle, die in ihm tobten.
»Packt ihn!« brüllte er mit lauter Stimme. »Tötet ihn! Er darf nicht mehr leben. Zerreißt ihn!«
Wären es nur drei, vier oder auch ein halbes Dutzend Personen gewesen, ich hätte schon gewußt, wie ich mich wehren konnte. Aber es waren noch mehr als 30 veränderte und zu lebenden Pesttoten geklonte Menschen, die einen feindlichen Wall bildeten. Solange sie mit den beiden Köpfen herumliefen, konnte und durfte ich sie nicht als normale Menschen behandeln.
Lorenzo feuerte sie weiter an. Ich war versucht, ihn zu erschießen, aber mir fehlte das freie Schußfeld, weil sich die Veränderten immer wieder zwischen ihn und mich schoben.
Sie wollten mich haben.
Ihre Hände streckten sich mir entgegen. Sie waren wie Tierklauen, die auf ihre Beute lauerten. Ich durfte mich auf keinen Fall fangen lassen, denn dann war ich verloren.
Ich erwischte einen leeren Stuhl und wuchtete ihn hoch. Wenig später schlug ich mir damit den Weg frei und war mir nicht einmal sicher, ob die getroffenen und zur Seite taumelnden Menschen überhaupt Schmerzen verspürten.
Aber ich bekam freie Bahn.
Der Kampf ging weiter.
Der Weg wurde regelrecht freigekämpft. Die Entfernung zur Theke betrug nur ein paar Schritte, doch bei diesen Hindernissen verdoppelte
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