1115 - Die Tränen des Toten
Dämonen sind. Du blickst da besser durch als ich.«
Er widersprach mir nicht und redete sich seine Gedanken von der Seele. »Wer mit derartigen Kräften ausgerüstet ist, der kann eigentlich nur im Zentrum gewesen sein.«
»In der Hölle?«
»In der Jigoku und bei Emma-Hoo«, bestätigte Suko. »Beim Teufel, beim großen Drachen, bei der Schlange, wie man immer dies auch bezeichnen will, ohne konkrete Beweise zu haben. Aber die Kraft existiert, und aus ihr hat er geschöpft.«
»Und weiter…«
»Sein Körper kam mir vor wie eine Hülle. Ich habe nicht alles von ihm gesehen, doch was ich sah, reichte aus. Das Gesicht und die Schulter waren aalglatt. Es gab keine Falte, keinen Pickel. Da kam es schon einem puppenhaften Aussehen gleich. Wie er sah auch keiner der lebenden Toten aus, mit denen wir es zu tun hatten.«
»Dann ist er etwas Besonderes.«
»Genau darauf wollte ich hinaus. Und deshalb bin ich froh, die Krone zu haben.«
»Die du gegen ihn und gegen unser zweites Problem einsetzen kannst, den Dunklen Schrecken. Wir kennen den Schwarzen Tod, den Spuk, aber nicht ihn.«
»Er ist mir auch neu. Aber er oder es muß in der japanischen Tradition begründet liegen. Samurais waren die Ritter des Ostens. Sie haben ihren Herren bis in den Tod gedient. Sind ihnen oft gefolgt. Es war eine Ehre, für sie zu sterben, und denke auch an die Selbstbestrafung durch Harakiri. Auch so hat mancher Samurai seine Ehre im Tod wiederherstellen können.«
»Aber der Dunkle Schrecken lebt oder hat überlebt.«
»Wie Agashi. Bei ihm war es Treue über den Tod und über Generationen hinaus, wie Shao gesagt hat. Agashi kehrte zurück, und man hat ihm den Dunklen Schrecken an die Seite gestellt, um die alten Regeln wieder fortführen zu können. Ich könnte nicht sagen, daß mir so etwas gefallen kann.«
»Frag mich mal.«
Es war auch das Wetter, das die Menschen nervös werden ließ. Keine Sonne, trotzdem die warme Luft. Am Himmel ballten sich jetzt wieder Wolken zusammen. Obwohl mich andere Sorgen plagten, mußte ich daran denken, daß die Spiele in Wimbledon mal wieder ausfielen, wenn der gute Petrus seine Schleusen öffnete.
Noch fielen keine dicken Tropfen. Aber der Wind hatte stark aufgefrischt und bewies wieder einmal, daß auf den Londoner Straßen sehr viel Unrat liegt, den er in die Höhe schleuderte oder über den Boden segeln ließ.
Für mich war wichtig, daß wir allmählich ans Ziel gelangten. Das war mittlerweile der Fall, denn wir sahen bereits die beiden dicht beieinanderstehenden Wohntürme. In einem davon befanden sich auch unsere Wohnungen, und das schon über Jahre hinweg.
Leider kam es wieder zu einem kleinen Aufenthalt, weil ein Laster abgeladen werden mußte und sich schräg gestellt hatte.
Ich rangierte den Rover vorbei und unterdrückte meinen Ärger, denn wenig später rollten wir auf die Zufahrt zur Tiefgarage zu. Als Hausbewohner hatten wir einen Schlüssel. Neben einer Konsole stoppte ich. Ich steckte den Schlüssel in den schmalen Schlitz und drehte ihn herum. Der Kontakt war hergestellt. Weiter unten, wo die Kurve auslief, bewegte sich das Metalltor zitternd, bevor es in die Höhe schwang und uns den düsteren Schlund freigab.
Der Rover rollte hinein. Niemand wollte hinaus. Es war die Zeit zwischen dem Berufsverkehr, und wir konnten uns darauf verlassen, daß die Tiefgarage recht leer war.
Der unterirdische Bau schluckte unseren Wagen. Wir hatten Stammparktaschen. Der Dienstrover parkte immer neben Sukos BMW, den wir auch jetzt sahen.
»Sie sind noch da«, sagte Suko leise. »Zum Glück.«
Oder auch nicht, dachte ich. Ich fuhr den Rover bis dicht an die Wand, dann verließ ich ihn als erster.
Suko stieg aus und hielt die Krone in den Händen, als wäre sie ein kostbares Geschenk. Bevor wir zum Lift gingen, schauten wir uns um.
Es war ein Sicherheitsblick, und wir taten es nicht nur heute. Dieses Umschauen war uns bereits in Fleisch und Blut übergegangen. Zuviel Ärger mit unseren Feinden hatten wir bereits in der Tiefgarage erlebt. Im Moment war alles normal.
Suko stand bereits vor dem Aufzug. Er hatte seinen Finger bereits auf den entsprechenden Leuchtknopf gelegt, um den Fahrstuhl herabzuholen. Der Knopf leuchtete auch auf, aber ein Ergebnis war nicht zu sehen. Auf der Metalleiste mit der Skala für die einzelnen Etagen leuchtete keine Zahl auf.
Er versuchte es erneut.
Wieder bewegte sich der Lift nicht. Es tat sich gar nichts. Als wäre er nicht vorhanden.
Suko schaute mich an.
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