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112 - Der tägliche Wahnsinn

112 - Der tägliche Wahnsinn

Titel: 112 - Der tägliche Wahnsinn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingo Behring
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schneller ausbreiten, was die Überlebenschancen des womöglich auf dem Boden liegenden Onkels weiter herabsetzte. Mist, alles Kappes aber auch! Es gab zu viele Unsicherheiten, um einfach durch die geschlossene Tür zu marschieren. Und die Kollegen mit dem Löschzug brauchten noch eine Weile, denn die Alarmierung war noch nicht lange genug raus, als dass sie gerade in den Rosenmühlenweg einbogen. Was konnte ich trotzdem tun, ohne das Risiko einzugehen, die Lage zu verschlimmern?
    Kevin müsste jeden Moment von seiner Erkundung zurück sein, dachte ich, den schicke ich dann in die oberen Stockwerke, um die anderen Mieter aus ihren Wohnungen zu holen. Ich entschied mich deshalb, «die Sparversion» zu probieren, bis alle Bewohner aus dem Haus geführt waren
.
Das hieß: Ich wollte nicht gleich die Tür zertrümmern, sondern hämmerte beherzt an die Tür – und zwar in einer Lautstärke, dass die Bewohner in der zweiten Etage nicht in der Lage sein würden, zu unterscheiden, ob es im Erdgeschoss oder womöglich an ihrer eigenen Tür klopfte.
    Meine Faust berührte also wenig diskret das Türblatt. Drööhn! Drööhn! Drööhn! – «Hallo? Hören Sie mich?» – Drööhn! Drööhn! – «Hier ist die Feuerwehr! Hallo?» Ich finde, Türklingeln werden überbewertet. Die hört man ja kaum. Der Neffe hinter mir war jetzt jedenfalls aus seiner Lethargie erwacht. Er zog den Kopf ein und fiel vor Schreck fast rücklings den Treppenabsatz hinunter. Anscheinend hatte sich sein eigenes Klopfen und Hämmern etwas lieblicher angehört.
    Immerhin: Meine Bemühungen fruchteten. Hinter der Tür bewegte sich etwas, jemand öffnete die Tür. Mit offener Hose und unordentlich herunterhängendem Hemd stand er nun vor uns, der vermisste Onkel des Neffen.
    «Oje, ich war eingeschlafen», sagte er sichtlich erschrocken.
    «Sicher. Passiert. Bei Ihnen brennt’s übrigens.»
    Mein Gegenüber schaute mich jetzt verständnislos an. Mein energisches Klopfen hatte ihn wohl aus einem Tiefschlaf gerissen, sodass er noch gar nicht bemerkt hatte, wie hinter ihm die Rauchschwaden aus der offenen Küchentür trieben. Plötzlich riss er aber die Augen auf und rief: «Herrje, meine Gulaschsuppe!»
    Unterhalb der Rauchgrenze konnte ich die Bestätigung seiner Vermutung erkennen: das auf dem Herd vergessene Mittagessen. Die Gulaschsuppe war jetzt nicht nur heiß, sondern auch hart genug, um sie in Scheiben gesägt in Papiertüten zu verpacken. Ich zog den Mann aus der Wohnung: «Kommen Sie mal raus da und gehen Sie auf die Straße. Ich gucke mal, ob das Essen schon fertig ist …» Geduckt huschte ich unter dem Rauch hindurch in die Wohnung, um das Küchenfenster weit zu öffnen. Nach dem Ausschalten des Herds brachte ich die qualmende und bestialisch stinkende Gulaschsuppenkohle vor das Haus, bevor sie sich noch entzündete. Kevin, der von seiner Erkundungstour gerade zurückkehrte, sah den qualmenden Topf, den ich einige Meter vor dem Hauseingang abstellte, ging zum RTW und gab Rückmeldung an die Leitstelle: «Kochtopfbrand, Mittagessen ins Freie gebracht, keine Personen in Gefahr. Wir brauchen nur noch ein Fahrzeug für die Belüftungsmaßnahmen.»
    Einige Momente später kam das Löschfahrzeug vorgefahren. Ich erklärte dem Gruppenführer kurz, was passiert war. Danach wandte ich mich an den Onkel, einen älteren Herrn mit schlohweißen Haaren, der mittlerweile seine Garderobe geordnet hatte.
    «Wie geht es Ihnen denn jetzt?», fragte ich. «Atembeschwerden, Husten? Haben Sie viel von dem Rauch geschluckt?»
    «Nein, glücklicherweise nicht. Die Tür zum Wohnzimmer, in dem ich geschlafen habe, war zu. Darum habe ich die Klingel auch nicht gehört. Ich war doch nur kurz eingenickt.»
    Ich zog die Augenbrauen hoch: «Na ja, ‹kurz› ist ziemlich relativ. Ihr Süppchen sieht nicht gerade danach aus, als seien es nur ein paar Minuten gewesen.»
    Die weitere Untersuchung des Bewohners ergab keine gesundheitlichen Auffälligkeiten. Nach längerem Belüften von Küche und Flur konnte er wieder in seine Wohnung zurück. Alles war noch einmal gut ausgegangen.

[zur Inhaltsübersicht]
    Kapitel 17 Leichenbergung mit Hindernissen
    Für Wasserrettungseinsätze haben wir auf Feuerwachen einen sogenannten Überlebensanzug. Dieser hat einen für den Träger ausreichenden Auftrieb, aber da er auch dazu genutzt wird, um Personen ohne Rettungsweste zu helfen, tragen wir noch eine Schwimmweste als zusätzlichen Auftrieb darüber. Sinnvollerweise bläst sich die zum

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