Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
112 - Der tägliche Wahnsinn

112 - Der tägliche Wahnsinn

Titel: 112 - Der tägliche Wahnsinn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingo Behring
Vom Netzwerk:
die Feuerwehren der meisten Gemeinden spezielles Werkzeug, um sie mit möglichst wenig Schaden aufzumachen. Im Gegensatz zu einigen privaten TV -Sendern, die komplette Anleitungen bildgerecht umsetzen, um jedem Zuschauer unter dem Deckmantel der Kriminalitätsaufklärung schon im Nachmittagsprogramm zu zeigen, wie man Türen öffnen kann, möchte ich hier nicht näher auf die diversen Techniken eingehen.
    Gründe für einen Einsatz dieser Art gibt es verschiedene: Die Nachbarin wurde seit zwei Tagen nicht mehr gesehen, eine Mutter von ihrem dreijährigen Kind ausgesperrt, während das Essen auf dem Herd anbrennt, oder jemand ruft aus einer Wohnung um Hilfe, kann aber aus irgendeinem Grund seine Haustür nicht selbst aufschließen. Entweder weil der Bewohner sich bei einem Sturz verletzt hat oder so gebrechlich ist, dass er nicht aus eigener Kraft wieder aufstehen kann.
    Dass es aber auch Gründe jenseits unserer Vorstellungskraft gibt, musste ich eines Nachts lernen, als um 3 . 10 Uhr die Alarmbeleuchtung in der Feuerwache aufflackerte. Aus den Lautsprechern quäkte es: «Einsatz für das LF . Isolde-Kurz-Straße 2 a. HP . Tür.» Aha, dachte ich, während ich schnell in die Socken schlüpfte. Wieder jemand, der sich beim Pipimachen lang gemacht hat und jetzt nicht mehr hochkommt. Es passiert oft, dass ein älterer Mensch nachts beim Toilettengang stürzt. Auch ist diese Zeit sehr «beliebt», um während der Verrichtung einen Herzinfarkt zu erleiden.
    Mit Dieter, der noch damit kämpfte, seine Augenlider offen zu halten, sprang ich hinten in die Mannschaftskabine, während Steffen und unser Anstaltsleiter die Plätze vorne im Löschfahrzeug besetzten. Vor Müdigkeit fröstelte ich, und so zog ich mir bei der Anfahrt noch die Arbeitsjacke über. Danach schaute ich etwas abwesend auf die vorbeifliegenden Hausfassaden, an denen ab und zu unser Blaulicht von den Fenstern reflektiert wurde. Das Martinshorn blieb aus. Es war um diese Zeit niemand auf den Straßen unterwegs, der für uns hätte Platz machen müssen.
    Als wir in der Isolde-Kurz-Straße eintrafen, stand ein Streifenwagen vor der Tür. Die Wohnung befand sich in einem großen Haus mit Laubengängen, bei denen sich die Eingangstüren sowie jeweils ein Fenster pro Wohnung an einem außen liegenden Balkonflur befanden. Wir schnappten uns den Werkzeugkoffer und liefen zu Fuß nach oben in den zweiten Stock, wo sich der Notfall ereignet haben sollte. Bereits im Treppenhaus empfingen uns einige Nachbarn, die teils in Trainingsanzügen, teils in Morgenmänteln dort herumstanden.
    Ein älterer Herr setzte uns ins Bild: «Da muss was passiert sein. Der ruft schon seit zwei Stunden, aber wir wissen nicht, wie wir ihm helfen können.»
    Unser Wachführer orientierte sich weiter: «Was sagt der Bewohner denn? Ist er gestürzt?»
    «Keine Ahnung, der klopft die ganze Zeit von innen ans Fenster und ruft um Hilfe. Wir wissen nicht, warum der nicht rauskommt.»
    Die vor der Wohnung stehenden Polizisten schienen ebenfalls etwas ratlos zu sein, einer der Beamten sagte: «Irgendwie ist der da drinnen neben der Spur. Wir werden auch nicht schlau draus, was der für ein Problem hat.»
    Hinter dem außen angebrachten Rollo des Laubengangfensters – nach Aussage der Nachbarn sollte sich dort das Bad befinden – rumorte immer noch der offensichtlich Eingeschlossene: «Hilfe, holen Sie mich hier raus! Hallo? Helfen Sie mir! Schlagen Sie doch bitte das Rollo ein!» Dieter und ich bereiteten den mitgebrachten Kasten mit dem Türöffnungswerkzeug vor, um bei Bedarf die Wohnungstür aufzubrechen, während der Wachführer Kontakt mit dem Bewohner aufnahm: «Was ist passiert? Warum können Sie denn nicht raus?»
    «Ich weiß nicht, die Tür ist weg.»
    «Wie, weg? Sie meinen, der Schlüssel ist weg?»
    «Nein, die Tür! Die ist weg! Holen Sie mich bitte hier raus!»
    Der Wachführer dachte immer noch an ein Missverständnis: «Ist die Tür abgeschlossen? Oder warum können Sie die nicht öffnen?»
    Der Mann hinter dem Rollo – es war eine ältere Stimme – jammerte verzweifelt: «Nein, Sie verstehen mich nicht. Die Tür ist weg. Da ist keine mehr.» Auch nach mehrfacher Nachfrage beharrte er darauf, dass die Tür im Bad verschwunden sei. Irgendwie war diese Aussage nur schwer nachzuvollziehen: So eine Zimmertür verschwindet ja nicht einfach.
    Dieter hakte nach: «Dann ziehn Se doch die Jalousien hoch, damit wir reinkönnen. Oder iss die Strippe auch weg?»
    Jetzt wurde der Mann etwas

Weitere Kostenlose Bücher