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112 - Der tägliche Wahnsinn

112 - Der tägliche Wahnsinn

Titel: 112 - Der tägliche Wahnsinn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingo Behring
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Beispiel andere Bewohner warnen. Das Gebäude erkunden. Den Einsatzraum ansehen und ordnen. Rückmeldung geben, ob zusätzliche Kräfte gebraucht werden. Und bei Kleinigkeiten haben wir ja den Feuerlöscher.» Wie kann man nur so phantasielos sein, dachte ich. Die fünf bis sieben Minuten bis zum Eintreffen der Kollegen würden wir schon irgendwie sinnvoll überbrücken können.
    Ein paar Sekunden später erreichten wir die angegebene Adresse. Das Blaulicht einzuschalten, hatte sich kaum gelohnt, die «Lichtreklame» war nicht einmal warmgelaufen. Ich verschaffte mir einen ersten Eindruck: Leichte Rauchschwaden drangen aus einem gekippten Fenster im Erdgeschoss eines dreistöckigen Wohnhauses, vor dem Gebäude winkte ein etwa fünfzigjähriger Mann im Norweger-Pullover. Kevin stoppte das Fahrzeug.
    Vor dem Aussteigen teilte ich unsere Arbeit ein: «Stell die Karre weiter unten in der Straße ab, sodass die Drehleiter vor dem Haus Platz hat. Dann lauf hinten herum durch den Garten. Sieh nach, ob du dort Rauch oder Flammen feststellen kannst. Danach kannst du nach einem Hydranten Ausschau halten. Ich gehe rein, um zu schauen, was dort los ist.» Nach dieser Anweisung verließ ich den Wagen, Kevin fuhr noch weiter wie angeordnet. Schließlich sollte direkt vor dem Gebäude noch ein ganzer Löschzug Platz finden, der für den Aufbau der Drehleiter und des Löschangriffs etwa fünfundvierzig Meter Straße brauchte.
    Ich trat auf den Mann im Strickpullover zu und fragte: «Haben Sie uns gerufen? Ist das Ihre Wohnung?»
    Er machte einen seltsam ruhigen Eindruck: «Ja, das habe ich. Es ist aber nicht meine Wohnung, ich lebe da drüber. Bei meinem Onkel kommt Rauch aus dem Küchenfenster.»
    «Ist Ihr Onkel zu Hause?»
    «Joah … natürlich …» Dass er dabei nicht gähnte, war schon erstaunlich.
    Während der Neffe im Hauseingang stehen blieb, zog ich mich am Fenster, aus dem es qualmte, hoch und riskierte einen Blick ins Innere der Wohnung. Durch die Glasscheibe war aber nur dichter Rauch zu erkennen. Keine Flammen, kein Onkel. Die Schwaden, die durch das Kippfenster quollen, rochen ziemlich charakteristisch. Ich tippte auf einen Kochtopfbrand. Als Feuerwehrmann hatte ich diesen Geruch schon Dutzende Male in der Nase gehabt.
    Nachdem ich wieder festen Boden unter den Füßen hatte, lief ich in den Hausflur, der Anrufer in seinem gemusterten Oberteil kam hinterhergetrottet.
    «Und Ihr Onkel ist da wirklich noch drin?» Ich hakte abermals nach.
    «Ja, ja. Sagte ich doch schon.»
    Wie konnte dieser Mensch nur so seelenruhig bleiben?
    An der Wohnungstür fragte ich den Neffen, ob er denn versucht hätte, bei seinem Onkel zu klingeln oder zu klopfen.
    «Sicher! Wie bekloppt. Habe Sturm geläutet, und geklopft, alles», antwortete der Angesprochene mit einer Aufregung, die man verspürt, wenn das Küchenpapier wieder aufgebraucht ist. «Aber der macht nicht auf. Muss aber drin sein. Der schläft mittags immer ’ne Runde. Der hört dann nichts.»
    Dem Neffen war wohl nicht klar, dass sein Onkel gerade in Lebensgefahr schwebte. Ein brennender Kochtopf kann nämlich in Minuten die über dem Herd befindliche Dunstabzugshaube in Brand setzen, in der oft ein vor Fett triefender Filter sein Dasein fristet. Ist das der Fall, kann sich ein Feuer sehr schnell ausbreiten.
    Gern hätte ich die Tür einfach aufgebrochen, um einen Blick in die Wohnung zu werfen. Sie war alt und sah nicht besonders stabil aus. Je nachdem, wie die Situation in der Wohnung war, so überlegte ich, könnte ich schon vor dem Eintreffen des Löschzugs tätig werden. Vielleicht war die Küchentür ja zu und der Rest der Wohnung war noch nicht so stark verraucht wie die Küche. Vielleicht konnte man kurz hinein, um den Bewohner herauszuholen, bevor er eine schwere Rauchvergiftung erlitt. Vielleicht.
    Das Problem bei meiner Idee: Die Wohnungstür hatte eine Füllung aus sechs blinden Glasscheiben. Sollte ich beherzt wie ein Filmheld gegen die Tür stolpern, würde mit Sicherheit mindestens eine der Scheiben kaputt gehen. Und dann? Ich könnte, wenn die Wohnung wegen des Rauchs nicht mehr betretbar war, die Tür nicht mehr dicht bekommen. Mit der Folge, dass Durchzug entstand (das Küchenfenster war gekippt!), der Rauch in das Treppenhaus dringen konnte und den oberen Bewohnern, die sich womöglich noch nichtsahnend in ihren Wohnungen befanden, den Fluchtweg abschnitt. Das Feuer würde aufgrund des Luftzugs durch die defekten Scheiben angefacht und sich dadurch

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