1120 - Grauen hinter Gittern
Laut entstand, als er die Tür zuknallte.
Er wollte nichts von mir, doch ich wollte etwas von ihm. So leicht konnte man mir nicht entkommen. Obwohl er kein einziges Wort gesagt hatte, bezweifelte ich, dass er nicht sprechen konnte. Ich würde ihn auf die Probe stellen.
Bis zu der Tür war es nur ein langer Schritt. Ich blieb auch nicht länger dort stehen, sondern legte meine Hand auf die Klinke und zog die Tür heftig auf.
Die Zelle sah aus wie meine. Hier gab es ein Bett. Und auch ein vergittertes Fenster. Der Zwerg stand neben dem Bett, das viel zu groß für ihn war. Er wandte mir den Rücken zu. Ich hörte ihn atmen. Aus seinem Mund drangen zischende Geräusche. Es war kein normales Atmen. Das wiederum ließ darauf schließen, dass diese Kreatur nicht unbedingt mit normalen menschlichen Maßstäben gemessen werden konnte.
»He!« sagte ich und zog die Tür zu.
Der Zwerg gab mir keine Antwort. Ich sah nur, dass sich seine Schultern unter den schweren Atemzügen auf und ab bewegten. Er schien unter großem Druck zu stehen.
Ich ging auf ihn zu. Er sollte es ruhig hören, deshalb setzte ich meine Füße fest auf.
Für den Zwerg war dieses Geräusch so etwas wie ein Startsignal.
Aus dem Stand fuhr er herum, und jetzt sah ich auch wieder seine kleinen, aber kräftigen Hände. Er hatte sich bewaffnet!
Seine Finger umklammerten den Griff eines Beils. Zusammen mit der Waffe schwang er herum. Aus dem relativ harmlosen kleinen Kerl war plötzlich eine bösartige Kreatur geworden, die mich angriff…
Waffen in den Händen von Kindern sind ebenso gefährlich wir im Besitz von Erwachsenen. Auch sie können töten, und bei dem Zwerg verhielt es sich nicht anders.
Wenn er mich mit der scharfen Klinge auch nur verletzte, sah es übel für mich aus. Deshalb durfte ich mich nicht erwischen lassen, was leichter gesagt als getan war, denn die kleine Kreatur hatte sich in eine Furie verwandelt.
Ich konnte sie nicht kontrollieren. Sie war rasend schnell. Sie ging auch nicht methodisch vor, sondern schlug mit der verdammten Axt immer wieder von links nach rechts. Sie war zu einem wahren Wirbelsturm geworden. Ich hörte ihr wütendes Schreien, bei dem die Stimme beinahe überkippte. Und er erinnerte mich an einen springenden Ball, der gefährlich nahe auf mich zuhüpfte.
Die Klinge war blank. Sie huschte und wischte von einer Seite zur anderen, und sie sah dabei aus wie glattes Eis.
Der Zwerg trieb mich in die Enge. Ich war durch einen Sprung bis an die Zellenwand gelangt und hatte so wenigstens den Rücken frei.
Das Gesicht des Kleinen hatte sich verzerrt. Jetzt hatte sich ein Schnittmuster aus Falten auf die Haut gelegt, in dem die Augen wie kalte Kugeln aussahen.
Er kreischte. Dann warf er sich vor, um mir die Klinge in den Bauch zu wuchten. Die Schlaghaltung hatte er verändert. Er drosch jetzt von oben nach unten.
Ich sprang zur Seite. Das Beil traf die Wand mit einem hellen Klingen. In dieses Geräusch hinein mischte sich der wütende Schrei der kleinen Kreatur. Bevor er sich von seinem Misserfolg erholen konnte, hatte ihn schon mein Tritt erwischt und quer durch die Zelle geschleudert. Er überschlug sich dabei und wirkte wie ein veränderter Ball. Seine Waffe hielt er auch jetzt fest. Sie wirbelte durch die Luft, als er sich drehte, aber sie fand jetzt kein Ziel mehr.
Ich hatte mit wenigen Schritten das Bett erreicht. Mit beiden Händen gelang es mir, die Matratze zu packen. Ich wuchtete sie hoch und drehte mich genau im richtigen Moment herum.
Der Zwerg griff wieder an! Er konnte nicht mehr stoppen. Vielleicht bekam er noch Panik, als er die hochkant stehende Matratze vor sich sah, die für ihn wie ein schweres Dach wirken musste.
Als er zuschlug, drosch ich die Matratze nach unten!
Das Beil hackte in die Masse hinein. Dort blieb es stecken. Durch den starken Gegendruck gelang es mir, die Matratze nach vorn zu drücken und den hasserfüllten Zwerg zu Boden zu schleudern. Zusammen mit seiner Waffe wurde er unter der Matratze begraben, die zusätzlich noch durch mein Gewicht beschwert worden war.
Ich kniete auf ihr. Von dem Zwerg war nichts zu sehen, jedoch zu spüren. Er zappelte unter dem Gegenstand. Er wollte sich befreien.
Er versuchte, sich zur Seite zu rollen, was ihm jedoch nicht gelang.
Ich wusste auch, wo ich seinen Kopf finden konnte und verstärkte den Druck dort besonders. Ich hatte Zeit. Der Zwerg nicht. Und ich merkte, dass die zappelnden Bewegungen schwächer wurden. Die Kraft verließ ihn.
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