1120 - Grauen hinter Gittern
hoffte, dass es auch bei dieser Gittertür der Fall sein würde und startete den Versuch.
Das alte Schloss war mit einem Knauf verbunden, den ich mit der rechten Hand umfasste. Ich hoffte, dass er sich bewegen ließ, versuchte es und hatte Glück.
Ich lauschte dem leisen Schnacken, dann konnte ich die Tür aufziehen, die leider erbärmlich quietschte. Es war schon ein ungewöhnliches Gefängnis, in dem keine Tür verschlossen war. Trotzdem kam man nicht raus.
Ich verließ den Gang und trat auf das Gitter, das in dieser Etage und innerhalb der Festung ein Viereck bildete. In jeder der vier Etagen. Um nicht abzurutschen, war ein Gitter angebracht worden, an das ich herantrat und nach unten schaute.
Auch jetzt war auf dem Boden nicht viel zu sehen. Sicherlich war er glatt, doch durch die Schatten, die sich dort verteilten, wirkte er wellig.
In dieser Umgebung war ich allein. Ich kam mir klein und verloren vor. Und zugleich wie ein Schauspieler, dem der Regisseur relativ freie Hand gelassen hatte, damit er agieren konnte, aber trotzdem nur das tat, was vorgeschrieben war.
Ich konnte nicht hingehen, wo ich wollte. Es war alles vorgeschrieben, und so bewegte ich mich einmal in diesem Viereck über dem Boden entlang. Bei jedem Schritt konnte ich durch die Lücken des Gehgitters nach unten schauen. Manchmal kam es mir vor, als wäre der Grund nicht mehr vorhanden. Wie von der Hölle verschluckt.
Vier Gänge mündeten jeweils auf dieser Etage. Und jeder sah aus wie der Gang, aus dem ich gekommen war. Auch die Türen glichen sich. Ich zog keine Gittertür auf, weil ich die Zellen nicht durchsuchen wollte.
Statt dessen ging ich über die Treppe hinweg in den unteren Bereich. Jeder Tritt verursachte auf der Treppe ein leises Echo. Ansonsten hörte ich keinerlei Geräusche.
Unten angekommen, trat ich in den Schatten hinein. Ein glatter Boden, der nur wenig Licht durch die Seitenleuchten abbekam. Auch wenn ich mich umsah, war wirklich nichts Besonderes zu sehen, abgesehen von einer breiten Gittertür, hinter der abermals ein Gang lag.
Wo führte er hin?
In die Freiheit, so zuckte der verständliche und auch verrückte Gedanke durch meinen Kopf. In früheren Zeiten mochten die Entlassenen durch diesen Gang an das für sie offene Tor gelangt sein, heute war das nicht so. Die Festung auf den Klippen hatte mich als Teil des Grauens hinter Gittern akzeptiert und würde mich behalten.
Mit der Einsamkeit werde ich normalerweise gut fertig. Diese hier war jedoch anders. Ich hielt mich für einsam, war es jedoch nicht.
Ich stand einfach nur in der Leere und wusste, dass dahinter etwas lauerte.
Etwas störte mich. Es war so etwas wie ein Knistern oder Rauschen, das oberhalb meines Kopfes seinen Ursprung hatte. Ich schaute sofort hoch, ohne allerdings etwas erkennen zu können.
Dafür hörte ich dann die Stimme. Ein Lautsprecher verstärkte sie derart, dass sie praktisch in die Stille hineinhallte und ich etwas Mühe hatte, die Worte zu verstehen, weil das eine das andere einholen wollte. Mein Name fiel.
»Willkommen in unserem Grab, Sinclair. Es ist wunderschön, wieder einen neuen Gast begrüßen zu können. Einen Gast, der so ganz anders ist als die anderen, die hier leben.« Es folgte ein scharfes Lachen, das verhallte. Danach breitete sich wieder die Stille aus.
Einige Sekunden wartete ich ab, aber die Stimme erklang nicht noch einmal. Deshalb ergriff ich die Initiative. »Seid ihr so feige, dass ihr es nicht fertig bringt, euch zu zeigen? Wo sitzt ihr? Kommt her. Ich möchte sehen, wer meine Bewacher sind.«
Diesmal hatte ich Glück. Man reagierte auf meine Forderung, und ich erhielt eine Antwort.
»Keine Sorge, du wirst uns sehen, Sinclair. Wichtig ist nur, dass wir dich sehen.«
»Das dachte ich mir.«
Die Stimme antwortete sofort. »Weißt du, was man uns sagte, als man dich hier ablieferte?«
»Nein, wie sollte ich?« Meine Antwort hatte normal geklungen, doch die letzte Frage hatte mir eine gewisse Furcht eingejagt, denn ich spürte, dass dahinter etwas Schlimmes lauerte.
»Ich will es dir erklären. Wir können mit dir machen, was wir wollen. Wir haben freie Hand und brauchen auf nichts Rücksicht zu nehmen. Ist das nicht super?«
»Das sehe ich anders.«
Der Sprecher lachte. »Klar, du siehst das anders. Aber du kannst beruhigt sein, Sinclair, denn du wirst nicht mehr lange allein bleiben. Du wirst bald der Mittelpunkt sein, und dann werden wir weitersehen.«
»Welcher Mittelpunkt?«
»Man wird dich
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