1121 - Wenn Totenmasken leben...
Bescheid gewusst. Okay, sie war etwas Besonderes, das hatte er schon immer gespürt, sonst wäre es ihr nicht gelungen, ihn in ihren Bann zu ziehen. Dass sie sich allerdings als Hexe bezeichnete, war ihm neu. Sie stand auf der Seite des Teufels, und im Nachhinein war es für ihn auch keine Überraschung mehr, obwohl er sich fürchtete. Er hatte ja die Masken schreien oder singen hören. Eine Tatsache, die es einfach nicht mehr zu leugnen gab.
Totenmasken, dachte er. Ein falscher Name. Jetzt hingen um ihn herum lebende Totenmasken, und er fühlte sich von ihnen beobachtet.
Keine leeren Augen mehr, obwohl sie so aussahen. Münder, sie sich verzogen, ihn angrinsten oder kantig lächelten. Sie wussten Bescheid. Er saß in ihrer Mitte. Er war das Opfer, und das Licht der Kerzen schickte ihnen den Schein entgegen, der sie noch unheimlicher machte. Nicht nur Jolanda stand mit dem Teufel im Bunde, auch die Masken waren von ihm beeinflusst worden.
Conrad Montego war kein Mensch gewesen, der den Teufel gemocht hatte. Er hasste ihn. Er wollte ihn nicht in seinem Leben wissen. Für ihn war er stets etwas Abstraktes gewesen, das nur die Menschen konkretisiert hatten. Ihnen war es gelungen, ihm ein Aussehen zu geben, so wie sie ihn sich eben vorstellten. Mit Hörnern, mit einem Schwanz, dem Klumpfuß, dem Fell auf einem nackten Körper, dessen Glied besonders groß war, und um das sich die Hexen gestritten hatten.
Bilder. Angstmacher aus früheren Zeiten. Der Teufel selbst war etwas anderes, ebenso wie die Hölle. Nicht zu erfassen, aber menschlich gemacht. Er musste einen Kontakt zu den Menschen gehabt haben, sonst hätte ihm Jolanda nicht dienen können.
Sie wusste also mehr über den Teufel, und sie hatte sich auch für ihn eingesetzt.
Conrad gelangte zu dem Entschluss, dass er etwas dagegen unternehmen musste. Es würde nach diesem Gespräch nie wieder so werden wie früher. In diesem Haus war die Atmosphäre vergiftet worden. Es gab keine Heimat mehr für ihn. Und er wusste auch, dass die Macht der Jolanda immer mehr zunehmen würde.
Das konnte er nicht zulassen.
Sie war oben. Sie wartete darauf, dass er von dem toten Briefträger eine Maske herstellte. Er war schließlich der Schöpfer aller dieser Masken und machte sich jetzt Vorwürfe, es getan zu haben.
Conrad stand auf. Plötzlich hatte er einen Entschluss gefasst. Das Leben musste sich für ihn ändern. Schließlich war er ein Mensch, und ein Mensch hatte auch ein Gewissen.
Mit dieser Vorstellung verließ er den Raum mit den Masken, und auch den Toten ließ er liegen…
***
»Ich kann es noch immer nicht fassen!« sagte Alan Montego, wobei er sein Stirnband zwischen den Händen drehte.
Jane, die locker hinter dem Lenkrad ihres Golfs saß, fragte: »Was können Sie nicht fassen?«
»Dass wir hier sind. Heute Morgen noch in London, in Notting Hill, und jetzt in Essex.«
»Manchmal hat die Technik auch Vorteile. Eine Reise in einer Kutsche hätte länger gedauert.«
»Stimmt. Da hätte ich auch mehr Zeit gehabt, über alles genauer nachzudenken.«
»Über was, zum Beispiel?«
Er zuckte die Achseln. »Ich kann es nicht genau sagen, aber ich weiß nicht, ob ich mich richtig verhalte. Etwas stimmt da nicht, da bin ich mir sicher.«
»Können Sie nicht konkreter werden?«
»Nein.«
»Sie wollen es nicht.«
Er senkte den Kopf. »Vielleicht. Es kann auch sein, dass ich große Angst vor der nahen Zukunft habe. Ist das so schlimm?«
»Überhaupt nicht, Alan. Es ist menschlich. Auch ich fühle mich nicht eben wie im siebten Himmel.«
»Dann bin ich beruhigt.«
Die beiden waren gut vorangekommen. Sie hatten die A 12 bis Colchester genommen und waren dann über die A 120 in Richtung Clacton-on-Sea gefahren. So weit brauchten sie allerdings nicht. Die Pension lag in der Nähe von Tendring, inmitten eines hügeligen Geländes, das Ruhe und Frieden abstrahlte.
»Kennen Sie den Weg noch?« erkundigte sich Jane.
Alan klemmte wieder sein Band über das Haar. »Ja, ich denke schon, auch wenn ich damals nicht so richtig aufgepasst habe. Ich war ärgerlich über meinen Vater, aber das…« Er winkte ab. »Nun ja, mal sehen, wie er sich nun verhält.«
»Immerhin sind Sie sein Sohn.«
»Das hat er vergessen, nachdem er dieses Weib kennen lernte und sich einfangen ließ. Ich knacke noch immer daran, aber ich gebe ihm nicht einmal die Schuld.«
»Sie denken mehr an Jolanda Juffi.«
»So ist es!« flüsterte er. »Sie hat es getan. Sie hat ihr Netz ausgebreitet, und
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