1121 - Wenn Totenmasken leben...
Person tatsächlich eine Hexe gewesen war, und daran hatte er keinen Zweifel, dann hatte er genau das Richtige getan. Nur so konnte er sich ihrem verdammten Fluch entziehen. Alles andere wäre falsch gewesen.
Wichtig war es jetzt, dass er die Nerven behielt. So riss sich Conrad Montego zusammen und dachte darüber nach, wie er vorgehen musste. Nur keine Fehler machen. Zunächst die kopflose Leiche der Hexe aus dem Keller nach oben schaffen. Er würde sie dort in einen Teppich wickeln und wegschaffen. Ebenso wie den Briefträger, und er hatte eine ganze Nacht Zeit, um beide Leichen zu vergraben.
Er warf noch einen letzten Blick auf den Kopf. »Du hast mich lange genug an der Nase herumgeführt. Du hast mir Liebe vorgegaukelt. Du hast von einem tollen Leben auch im Alter gesprochen, aber damit ist jetzt Schluß. Ich habe dich durchschaut, und bin dir dankbar, dass du mir die Augen geöffnet hast. Vielleicht noch rechtzeitig genug.«
Nach diesen Worten wandte sich der Mann ab und ging mit steifen Schritten auf die Treppe zu. Von oben würde er zunächst einen Teppich holen, um den Torso darin einzuwickeln.
Conrad Montego kam nicht weit. Nicht einmal bis zur Tür. Er stoppte mitten in der Bewegung, denn plötzlich hörte er das unheimliche Jammern der Totenmasken, als wären sie dabei, um die geköpfte Hexe zu trauern…
***
Jane und Alan waren auf der Treppe stehen geblieben. Beide lauschten, und sie konnten sich den klagenden Gesang nicht erklären.
Sie blickten sich an. In Alans Augen schimmerte die Furcht, als er flüsternd fragte: »Was ist das? Hört sich an wie ein Chor.«
»Ja, wie ein Totenchor.«
Über diese Bemerkung erschrak Alan. »Was sagen Sie da? Totenchor?«
»Ich glaube nicht, dass wir es mit der Probe eines Gesangsvereins zu tun haben«, erklärte Jane Collins, die das Heft wieder in die Hand genommen hatte und weiterging. Sie würde sich auch von diesen Stimmen auf keinen Fall abschrecken lassen. Sie war ein Mensch, der rätselhaften Dingen immer auf den Grund ging.
Allmählich gewann sie die Überzeugung, dass sie hier in einen Fall hineingeraten war, der in John Sinclairs Bereich fiel. Der Keller kam ihr jetzt mehr als unheimlich vor. Das lag auch an diesem seltsamen Gesang, der sich ihrer Meinung nach kaum aus menschlichen Stimmen zusammensetzte und etwas Geisterhaftes an sich hatte.
Am Fuße der Treppe blieb sie für einen Moment stehen, um sich umzuschauen. Sie wollte herausfinden, hinter welcher Tür der Gesang aufgeklungen war. Es standen mehrere zur Auswahl, aber er drang von der rechten Seite her an ihr Gehör.
Jane drehte sich um. Vor ihr lag eine normale Kellertür, an der nichts ihren Verdacht erregte. Sie bestand aus dicken Holzbohlen und war braun angestrichen. Jane schaute auf die Klinke, und als sie das Metall berührte, hörte sie hinter sich die Schritte.
Alan Montego hatte es nicht mehr auf seinem Platz ausgehalten, und er kam zu ihr. »Ich muss es sehen. Haben Sie schon eine Ahnung?«
»Nein.«
Er deutete vor seine Füße. »Dahinter brennt Licht.«
In der Tat drückte sich das weiche Licht unter der Türritze hervor in den Kellergang hinein. Es hinterließ dort einen schwachen Schein, der vom Boden aufgesaugt zu werden schien.
Jane zog ihre Waffe.
Als Montego dies sah, atmete er auf. »Wenigstens können wir uns wehren«, sagte er und fragte sofort: »Aber gegen wen? Ob mein Vater damit etwas zu tun hat?«
»Ich kann es nicht sagen.« Jane drückte die Tür auf. Sie glitt nach innen, und augenblicklich wurde es vor ihnen heller.
Beide waren überrascht. Nicht nur wegen des lauter gewordenen Gesangs, nein, sie sahen jetzt, dass dieses Licht von zahlreichen Kerzen gespendet wurde. Durch das Öffnen der Kellertür war ein Luftzug entstanden, der nun durch den Kellerraum wehte und auch die zahlreichen Kerzenflammen berührte, die nun leicht zitterten und für eine Veränderung des Lichts sorgten.
Der Raum vor ihnen war zu einer mit unterschiedlich großen Schatten gefüllten Bühne geworden. Sie tanzten, sie gaben Bewegung, sie wurden durch das Licht zerrissen, bauten sich wieder auf und fanden so andere Wege.
Vertuschen konnten sie nicht alles, da das Licht ausreichte, um das zu sehen, was an den Wänden hing. Es waren Masken!
Keine normalen, wie man sie auch auf einem Flohmarkt erwerben konnte. An zahlreichen Stellen an den vier Wänden des Kellers hingen die Totenmasken. Sie waren die Erinnerungen an Personen, die einmal gelebt hatten. Jolanda Juffi musste
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